Streptokokken - eine Gefahr für Mensch und Tier

10 August 2023

Article One Health
  • S. suis - das klinische Bild
  • S. suis - Auswirkungen auf die Wirtschaftlichkeit im Bestand
  • S. suis - Antibiotikaresistenzen
  • S. suis - eine 'neue' globale Zoonose

Die Streptokokken-Infektion ist seit langem ein Problem für Schweinehalter und Tierärzte.

Streptococcus suis (S. suis) ist ein weltweit schwerwiegender Krankheitserreger bei Schweinen und eine der Hauptursachen von bakteriellen Infektionen und Verlusten bei Saugferkeln und Absetzferkeln.

Streptokokken sind in fast allen schweinehaltenden Betrieben präsent und können Tiere als auch Menschen befallen. Als Zoonoseerreger sind die Streptokokken vor allem in den Ländern von Bedeutung, in denen viel Schweinefleisch konsumiert wird und Menschen und Tiere auf engstem Raum zusammenleben (vornehmlich Südostasien, aber auch Europa). Grundsätzlich gehören Tierärzte, Metzger und Jäger zur Risikogruppe. Neben Hirnhautentzündung (Meningitis), Blutvergiftung (Septikämie) und dem Streptococcal Toxic Shock-like Syndrome (STSS), ist ein permanenter Gehörverlust eine häufig auftretende Komplikation.

Klinisch erkrankte Schweine zeigen primär Anzeichen einer Meningitis, Gelenksentzündungen (Arthritis) und Septikämien, sowie weitere pathologische Veränderungen wie Entzündungen der serösen Häute, Lungenentzündung (Bronchopneumonien) und eine Entzündung der Herzinnenhaut (Endokarditis). Dies hat nicht nur einen großen Einfluss auf die Wirtschaftlichkeit der Betriebe, sondern stellt auch ein großes Problem für den Tierschutz dar. Denn durch die Vorbeugung und Behandlung von S. suis-Infektionen kommt es zum erhöhten Einsatz von Antibiotika. Damit trägt die Behandlung dieser Infektionskrankheit zu einem großen Teil an dem Gesamteinsatz von Antibiotika in der Schweinehaltung bei. Dadurch kommt es weiterhin zu einer zunehmenden Resistenz gegenüber den Wirkstoffen. Ein Hauptziel bei der Behandlung von S. suis-Infektionen sollte daher die Prophylaxe gegen diesen zoonotischen Erreger und die Verringerung des Antibiotikaeinsatzes sein.

Strep suis KokkenS. suis - das klinische Bild

S. suis ist ein grampositives, fakultativ anaerobes und unbewegliches, kokkenförmiges Bakterium, welches in unterschiedlich langen Ketten organisiert ist, wie in der schematischen Zeichnung rechts dargestellt. Praktisch alle klinisch gesunden Schweine sind Träger verschiedener Serotypen von S. suis. Ferkel werden in der Regel während der Geburt und des Säugens mit S. suis besiedelt, wobei es hier virulente und avirulente Stämme gibt. Asymptomatische Träger dienen als Infektionsquelle innerhalb der Tiergruppe, sobald sie im Aufzuchtstall gemischt werden und nicht mehr durch maternale Antikörper geschützt sind. Klinische Erkrankungen treten hauptsächlich 2 - 5 Wochen nach dem Absetzen auf, manchmal aber auch schon bei Saugferkeln.

Klinik Stall

Die Klinik nach einer S. suis-Infektion ist vielfältig. 1) In der Sektion wird eine leicht klebrige und eitrige Gelenksflüssigkeit sichtbar. 2) Manche Ferkel leiden an Koordinationsstörungen und starken Gelenksentzündungen. 3) Bei einer Hirnhautentzündung kommt es zum Festliegen. Typisch dafür ist auch die sogenannte "Sternguckerhaltung". (Fotos von Marcelo Gottschalk, Université de Montréal)

Die folgende Tabelle fasst die Symptome nochmals kurz und übersichtlich zusammen:

Klinik Übersicht Tabelle

S. suis - Auswirkungen auf die Wirtschaftlichkeit im Bestand

Trotz des kostspieligen Einsatzes von Antibiotika zur Bekämpfung der Krankheit wirken sich S. suis-Infektionen sehr negativ auf die Rentabilität der Schweineproduktion aus. IN der Übersicht 1 ist das Auftreten von S. suis-Infektionen für ausgewählte Länder beschrieben.1 Bei einer Infektion erkrankten (Morbidität) bis zu 50 % der Tiere, während bis zu 20 % der Tiere versterben (Mortalität) können. 

Prävalenz S suis Europa

Übersicht über das Auftreten von S. suis-Infektionen einiger europäischer Länder.

S. suis - Antibiotikaresistenzen

Einer der Hauptgründe für den Einsatz von antimikrobiellen Substanzen bei Schweinen sind S. suis-Infektionen. Die Inzidenz (Häufigkeit) der Krankheit kann in den betroffenen Betrieben bis zu 20 % betragen, wird aber auf Grund von regelmäßigen prophylaktischen und metaphylaktischen Maßnahmen wie den Einsatz von Antiinfektiva in der Regel unter 5 % gehalten.2 Im Laufe der Jahre hat sich durch diese Praxis das Resistenzniveau dieser Erreger erhöht. Besonders zu niedrige Dosierungen fördern die Ausbildung von Resistenzen, da so Bakterien nicht zuverlässig abgetötet werden und sich mit der Ausbildung der Resistenzen entsprechend zur Wehr setzen. Diese können dann auch an andere Bakterien weitergegeben werden. S. suis gilt als Nische für antimikrobielle Resistenzen und birgt ein hohes Risiko der Übertragung dieser Resistenz auf andere Erreger. Neben diesem besorgniserregenden Problem für die öffentliche Gesundheit kann sich die antimikrobielle Behandlung von Aufzuchtschweinen auch negativ auf das Mikrobiom, also negativ auf die nützlichen Bakterien speziell im Darm auswirken.

Beispiele für Resistenzen von S. suis3

Tetrazykline

Hohe Resistenzlage in Deutschland, Spanien und Portugal (86,9-100 %)

Moderate Resistenzlage in anderen europäischen Ländern (40,3-73,3 %)

Erythromycin

In Europa: 8-75 %

Tylosin

In Spanien: 89,4 %

S. suis schein noch recht empfindlich gegenüber Beta-Laktam-Antibiotika wie Amoxicillin zu sein, die zusammen mit dem Kombinationspräparat Trimethoprim-Sulfonamid hauptsächlich zur Behandlung einer Streptokokkeninfektion eingesetzt werden. In Anbetracht des zoonotischen Potenzials und der Fähigkeit, die Resistenz auf andere Bakterien zu übertragen, sollte die Reduzierung des Einsatzes antimikrobieller Substanzen ein Hauptziel der Präventionsstrategien für S. suis sein.

Risiko von (multi-) resistenten Zoonoseinfektionen

Risiko der Übertragung der Resistenz auf andere Bakterienarten

Risiko eines erhöhten S. suis-Infektionsdrucks durch den Einsatz von Antibiotika gegen anfällige Bakterien

S. suis - 'neue' globale Zoonose

Antibiotikaresistente Bakterien stellen nicht nur ein großes Problem für die Tiergesundheit dar, sondern sind auch ein Risikofaktor für Infektionen beim Menschen. Beim Menschen treten S. suis-Infektionen hauptsächlich als akute eitrige bakterielle Meningitis, aber auch als Sepsis, streptokokkenbedingtes toxisches Schocksyndrom, multiples Organversagen und Endokarditis auf.

  • Streptokokkeninfektionen können durch Hautläsionen bei bestimmten Berufsgruppen (Schweinezüchter, Tierärzte, Metzger, Jäger und andere mit engem Tierkontakt) oder durch Lebensmittel (hauptsächlich in Asien) erfolgen
  • S. suis ist eine der häufigsten Ursachen für Meningitis bei Erwachsenen in Vietnam, Thailand oder Hongkong
  • Europäische Fälle wurden aus Dänemark, den Niederlanden, Italien, Spanien, dem Vereinigten Königreich, Belgien, Kroatien, Serbien, Österreich, Schweden, Deutschland, Polen, Ungarn, Frankreich, Griechenland und Portugal gemeldet.

Es wird davon ausgegangen, dass die Krankheit in mehreren Ländern unterdiagnostiziert ist und zu wenig darüber berichtet wird.4 

 

1 Casal J, Neila C, Napp S, Wells JM. Program for Innovative Global Prevention of Streptococcus suis. D5.1 Report of retrospective data on incidence of S. suis infection in pigs and the partner countries. Horizon 2020

2 Segura M, Aragon V, Brockmeier SL, Gebhart C, de Greeff A, Kerdsin A, O'Dea MA, Okura M, Saléry M, Schultsz C, Valentin-Weigand P, Weinert LA, Wells JM, Gottschalk M. Update on Streptococcus suis Research and Prevention in the Era of Antimicrobial Restriction: 4th International Workshop on S. suisPathogens (2020). 9:374. DOI: 10.3390/pathogens9050374

3 Seitz M, Valentin-Weigand P, Willenborg J. Use of Antibiotics and Antimicrobial Resistance in Veterinary Medicine as Exemplified by the Swine Pathogen Streptococcus suis. Current Topics in Microbiology and Immunology (2016) 398:103-121. DOI: 1007/82_2016_506

4 Ágoston Z, Terhes G, Hannauer P, Gajdács M, Urbán E. Fatal case of bacteremia caused by Streptococcus suis in a splenectomized man and a review of the European literature. Acta Microbiologica et Immunologica Hungarica 67 (2020) 3:148-155. DOI: 10.1556/030.2020.01123

5 Staats J, Feder I, Okwumabua O, Chengappa MM. Streptococcus suis: Past and Present. Vet Res Commun (1997) 21:381-407. DOI: 10.1023/A:1005870317757

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