- Aktuell seltener 'klassische' Grippewellen
- Unspezifische Symptome überwiegen
- Influenzaviren zirkulieren ganzjährig in den Beständen
- Bakterielle Sekundärinfektionen und weitere Faktoren
Verschwanden noch früher die Influenzaviren nach einem Influenzaausbruch wieder aus dem Bestand, zirkulieren heutzutage Influenzaviren weltweit in vielen Beständen über lange Zeiträume. Auf Grund ihres Aufbaus sind sie in der Lage sich durch den Austausch oder eine Neukombination ihres Erbguts ständig zu verändern. Aus den drei klassischen Influenzastämmen (H1N1, H1N2 und H3N2) und den pandemischen Subtypen H1pdmN1 und H1pdmN2 entstehen sogenannte Reassortanten, die für das veränderte klinische Bild verantwortlich sind. Dass sich die Influenzastämme dauerhaft in den Beständen halten können, liegt unter anderem daran, dass immer wieder naive, also nicht geschützte Altersgruppen in einem Bestand von einer Influenzaerkrankung betroffen sind.
Klassische Influenzaverläufe derzeit eher selten
Bei klassischen, epidemischen Influenzaausbrüchen erkranken die Tiere meist mit hohem Fieber (bis 42 °C), hören auf zu fressen und liegen apathisch in den Buchten. Oft entwickeln sie im Anschluss eine starke Lungenentzündung mit Husten. Die dabei auftretenden Lungenveränderungen gleichen optisch denjenigen einer Infektion mit Mesomycoplasma hyopneumoniae (M. hyo). Manchmal kommt es zu schwerwiegenden Folgen dieser Atemwegssymptomatik: die Tiere können plötzlich versterben. Des Weiteren können fieberbedingte Aborte bei Sauen beobachtet werden. Diese klassische Verlaufsform der Influenzainfektion wird in den Schweinebeständen derzeit allerdings seltener festgestellt.
Abbildung: Diese Lunge einer akuten Influenzainfektion zeigt deutlich gerötete Spitzenlappen.
Heutzutage überwiegen endemische Verläufe mit unspezifischen Symptomen
Stattdessen wird seit dem Auftreten der pandemischen Influenzastämme im Jahr 2009 immer häufiger die endemische Verlaufsform beobachtet. Das ständige Zirkulieren der Influenzaviren auf dem Bestand zeichnet sich dadurch aus, dass man immer wiederkehrende Atemwegserkrankungen oder Fieberwellen in den unterschiedlichen Altersgruppen findet.
Infektionen mit H1N2 oder pandemischen Influenzastämmen wirken sich häufig nachteilig auf die Reproduktionsleistungen, vor allem Umrauschquoten aus. Aborte in allen Trächtigkeitsstadien sowie schlechtere Wurfqualitäten können bei infizierten Sauen auftreten. Dabei kann ein deutliches Fieber zum Teil fehlen. Dass pandemische Influenzastämme einen negativen Einfluss auf die reproduktive Leistung der Sauen haben, zeigt auch eine Studie, die in 137 deutschen Beständen durchgeführt wurde. Hier wurde im Vorfeld in den Beständen eine Infektion mit pandemischen Influenzastämmen nachgewiesen. Durch die Impfung der Sauen mit einem Impfstoff, der ein pandemisches H1N1 enthält, konnte die durchschnittliche Umrauschquote statistisch signifikant reduziert werden. Zudem konnte durch die Impfung ein Ferkel mehr pro Sau und Jahr abgesetzt werden.
Durch den Einsatz eines Influenzaimpfstoffen (H1pdmN1) konnte die Umrauschquote um etwa 3 % reduziert werden. Zusätzlich wurde ein Ferkel pro Sau und Jahr mehr abgesetzt.1
Neben Sauen kann das Influenzavirus auch Ferkel infizieren und dabei die Verlustrate, insbesondere bei den Aufzuchtferkeln, erhöhen. Dabei hat der Influenzastatus der Ferkel zum Zeitpunkt des Absetzens einen entscheidenden Einfluss auf die Verlustrate in der Aufzucht. Da Antikörper, die die Ferkel über die Muttermilch erhalten (maternale Antikörper) die Ferkel nur vor einer Erkrankung, jedoch nicht vor einer Virusinfektion schützen, kann es passieren, dass infizierte Saug- und Absetzferkel auch ohne sichtbare Krankheitsanzeichen das Virus in die nachfolgenden Bereiche mitnehmen und somit die Viruszirkulation im Bestand aufrecht erhalten.
Neben Ausbrüchen mit den klassischen Symptomen wie Atemnot, Fieber und starkem Husten, fällt bei der endemischen Form in der Mast häufig nur ein erhöhter Antibiotikaverbrauch auf Grund der Behandlung von Sekundärinfektionen sowie reduzierte Tageszunahmen auf. In einigen Fällen können auch die Verluste erhöht sein. Typisch ist, dass es häufig Krankheitswellen gibt und nicht jede Gruppe gleich stark betroffen ist.
Ganzjähriges Zirkulieren von Influenzaviren
Besonders ist bei der Infektion mit den pandemischen Stämmen ist weiterhin, dass erkrankte Tiere nach einer Influenzainfektion keine belastbare Immunität mehr ausbilden, sondern stattdessen wiederkehrend erkranken können. Weiter wurde festgestellt, dass Influenzaviren ganzjährig in den Schweinebeständen zirkulieren und somit nicht, wie es früher typisch war, an Jahreszeiten gebunden sind. So fallen die naiven, neugeborenen Ferkel, die zuvor noch keinen Kontakt zu Influenzaviren hatten, diesen ständig zum Opfer, wodurch das Infektionsgeschehen im Bestand aufrechterhalten wird - es gibt also ständig ungeschützte Tiere innerhalb eines Bestandes.
Verstärkter Krankheitsverlauf durch weitere Faktoren
Andere Faktoren, wie starke Temperaturschwankungen im Frühjahr und Herbst, Schadgase oder Luftzug können die Krankheit verstärken. Oft sind auch weitere Erreger wie Viren (zum Beispiel das Porzine Reproduktive und Respiratorische Syndrom-Virus [PRRSV], das Porzine Circoviurs Typ 2 [PCV2]) oder Bakterien (zum Beispiel M. hyopneumoniae, Streptococcus suis [S. suis], Actinobacillus pleuropneumoniae [APP], Glaesserella parasuis [GPS]) an dem Geschehen beteiligt und führen zu noch stärkeren Einschränkungen und Verlusten. Indem das Influenzavirus die Lunge schädigt, ist es ein idealer Wegbereiter für andere Erreger. So konnte im Rahmen einer Studie gezeigt werden, dass es für einen S. suis-Stamm, der allein keine krankmachenden Eigenschaften aufwies, nach einer Influenzainfektion möglich war, sich in der Lunge anzuheften und einen schwerwiegenden Krankheitsverlauf zu verursachen.5 Gleiches wurde auch für GPS-Stämme (Erreger der Glässer'schen Krankheit) beschrieben, die durch eine zeitgleiche Infektion mit einem Influenzavirus schlimmere Krankheitsbilder hervorrufen können.
1 Gumbert S, Froehlich S, Rieger A, Stadler J, Ritzmann M, Zoels S. Reproductive performance of pandemic influenza A virus infected sow herds before and after implementation of a vaccine against the influenza A (H1N1)pdm09 virus. Porcine Health Manag. 2020 Jan 23;6:4. DOI: 10.1186/s40813-019-0141-x
2 Gebhardt JT, Tokach MD, Ditz SS, DeRouchey JM, Woodworth JC, Goodband RD, Henry SC. Postweaning mortality in commercial swine production II: review of infectious contributing factors. Transl Anim Sci. 2020 May 4;4(2):txaa052. DOI: 10.1093/tas/txaa052
3 Alvarez J, Sarradell J, Kerkaert B, Bandyopadhyay D, Torremorell M, Morrison R, Perez A. Association of the presence of influenza A virus and porcine reproductive and respiratory syndrome virus in sow farms with post-weaning mortality. Prev Vet Med. 2015 Oct 1;121(3-4):240-5. DOI: 10.1016/j.prevetmed.2015.07.003
4 Er C, Skjerve E, Brun E, Hofmo PO, Framstad T, Lium B. Production impact of influenza A(H1N1)pdm09 virus infection on fattening pigs in Norway. J Anim Sci. 2016 Feb 94(2):751-9. DOI: 10.2527/jas.2015-9251
5 Lin X, Huang C, Shi J, Wang R, Sun X, Liu X, Zhao L, Jin M. Investigation of Pathogenisis of H1N1 Influenza Virus and Swine Streptococcus suis Serotype 2 Co-Infection in Pigs by Microarray Analysis. PLoS One. 2015 Apr 23;10(4):e0124086
6 Pomorska-Mól M, Dors A, Kwit K, Kowalsczyk A, Stasiak E, Pejsak Z. Kinetics of single and dual infection of pigs with swine influenza virus and Actinobacillus pleuropneumoniae. Vet Micro. 2017 Mar;201:113-120. DOI: 10.1016/j.vetmic.2017.01.011