Überblick zum Saugferkeldurchfall, auch bekannt als Ferkelruhr

7 April 2023

Article Saugferkeldurchfall

Inhalte

  • Saugferkeldurchfall (Ferkelruhr)
  • Wer oder was verursacht Ferkeldurchfall?
  • Die verschiedenen Durchfallerreger
  • Saugferkeldurchfall – Der Weg zur Diagnose
  • Behandlung und Prävention von Durchfällen
  • Ferkelversorgung und Managementmaßnahmen
  • Auswirkungen auf die Produktion

Die Ferkelruhr – oder (Saug-)Ferkeldurchfall – ist wohl der wichtigste Erkrankungskomplex  sowohl in der Abferkelbucht als auch rund um den Zeitpunkt des Absetzens. Für die Ferkelaufzucht stellen Durchfallerkrankungen große ökonomische Verluste  durch Ausfälle und Leistungsminderung dar. Kümmern, Kosten für Medikamente und die höhere Anfälligkeit für weitere Erkrankungen sind nur eine Auswahl der Folgen, wenn Durchfallerkrankungen beim Ferkel nicht untersucht und gezielt behandelt werden. 

Wer oder was verursacht Ferkeldurchfall?

Als multifaktorieller Erkrankungskomplex gibt es viele Auslöser des Saugferkeldurchfalls, sodass die Ursachenfindung nicht immer ganz einfach ist. Nicht nur Infektionserreger, sondern auch Probleme in der Herdenführung, Biosicherheit oder Fütterung können sich auf die Ferkelgesundheit auswirken. 

Die folgenden Themenkomplexe wirken dabei zusammen:

  • Immunität
  • Pathogene Erreger 
  • Herdenmanagement 
  • Umwelt

Die Ferkel werden in eine für sie zunächst eher feindliche, mit den verschiedensten Erregern besiedelte Umgebung hineingeboren. Sie haben noch kein eigenes, voll funktionsfähiges Immunsystem,  sodass sie überlebenswichtige Antikörper  über das Kolostrum , die Biestmilch, bekommen müssen. Für die nächsten Wochen schützen diese Antikörper sie spezifisch vor den in ihrer Umgebung vorkommenden Pathogenen, bis sie selbst in der Lage sind Antikörper zu produzieren. Der Vorgang des passiven Immunitätstransfers ist zeitabhängig, weshalb die Aufnahme des Kolostrums innerhalb der ersten Lebensstunden vonstattengehen muss. Erst nach etwa drei bis vier Wochen fängt das Immunsystem des Ferkels an zu arbeiten.

Während der Geburt, wenn die Ferkel langsam den Geburtskanal passieren, nehmen sie verschiedenste Bakterienspezies der Sau auf, welche den noch naiven Darmtrakt der Ferkel besiedeln (Darmmikrobiom) . Diese ‘guten’ Bakterien helfen dem Ferkel die aufgenommene Milch und später auch alles weitere Futter zu verdauen sowie krankheitsverursachende Erreger in Schach zu halten.

Bekommt ein Ferkel nicht ausreichend Kolostrum oder Kolostrum minderer Qualität und wird das junge Darmmikrobiom gestört, können Krankheitserreger überhandnehmen. Auch die ‘guten’ Bakterien können dann krank machen. Hat die Sau selbst eine bestimmte Erkrankung nie gehabt oder wurde nicht dagegen geimpft, hat sie keine Antikörper, die sie an ihre Ferkel weitergeben kann. Ferkel von Jungsauen sind deswegen häufiger von Durchfällen betroffen. Es gibt spezielle Impfprogramme, die zielgerichtet an Züchter mit hohem Anteil von Jungsauen bzw. Sauen niedriger Parität, gerichtet sind.

Eine weitere Ursache für eine schlechte Immunitätslage neugeborener Ferkel ist die Agalaktie der Sau  (wenn diese keine Milch geben kann). Auch zu große Würfe oder ungeeignete Sauen (schlechte Muttereigenschaften, zu wenige oder für die Ferkel schlecht zu bedienende Zitzen) und eine allgemein ungünstige Umgebung (zu laut, Zugluft) können dazu beitragen, dass die Ferkel keine ausreichende Menge Kolostrum erhalten. Hier ist vor allem gutes Management gefragt.

Abbildung 2 Auswahl säugende Sau

Abbildung 2 – Auswahl säugende Sau: In den letzten Jahren wurden Sauen vor allem nach Wurfgröße selektiert, was zu extrem großen Würfen geführt hat. Häufig haben die Sauen nicht mehr ausreichend Zitzen, um alle Ferkel gleichzeitig mit ausreichend Kolostrum, Milch und Eisen versorgen zu können.

Zu guter Letzt nutzen Pathogene jede Möglichkeit einen Wirt zu infizieren. Sie haben dafür ausgeklügelte Systeme entwickelt, um die Schutzmechanismen der Schweine zu überwinden. Beispiele für solche Erreger sind Escherichia coli und Clostridium perfringens.

Ein Beispiel aus der Praxis soll das komplexe Zusammenwirken der verschiedenen Faktoren einmal verdeutlichen: Ein noch unerfahrener Mitarbeiter vergisst sicherzustellen, dass alle neugeborenen Ferkel ausreichend Kolostrum aufnehmen. Damit sind diejenigen Ferkel, die zu wenig Kolostrum erhielten, wesentlich empfänglicher gegenüber pathogenen Erregern. Da die Abferkelbucht auch schon länger nicht grundgereinigt wurde, überdauern diese Erreger in der Umgebung gut. Die Ferkel bekommen Durchfall und erhalten sofort ein Antibiotikum. Durch diese Behandlung wird das noch empfindliche Mikrobiom im Darm gestört, sodass der Durchfall schlimmer, statt besser wird. Auch wenn keines der Ferkel verstirbt, so wird man die Auswirkungen dieser Durchfallepisode durch erhöhte Kosten auf Grund der Behandlung, sowie längerer Mastdauer spüren. Neben verbesserungswürdigen Haltungs- und Behandlungsbedingungen kann in unserem Beispiel auch das Management der neugeborenen Ferkel verbessert werden. 

Tabelle 1. Zusammenfassung der häufigsten Gründe für Saugferkeldurchfall

 

Ursache

Folge

Mögliche Vorgehensweise

Ferkel haben nicht ausreichend Kolostrum erhalten (passive Immunität konnte nicht übertragen werden)

Ferkel haben kein ausgereiftes Immunsystem bei der Geburt, sodass sowohl nützliche wie auch pathogene Erreger gefährlich werden können

Verbesserung der Aufzuchtbedingungen, Würfe teilen und ausreichende Säugezeiten gewährleisten, Agalaktie der Sau verhindern

Geschädigte Mikrobiota durch

  • Unkritischen Einsatz von Antibiotika
  • Starke Verschmutzung der Umgebung
  • Überfressen
  • Zu schnelle Futterumstellung

Darmfunktion ist beeinträchtigt, schädigende Mikroorganismen können hochwachsen

Anwendung von Antibiotika mit Bedacht und nur nach vorheriger Erregerisolation und Antibiogramm; konsequente Hygiene; Futteraufnahme der Sauen begrenzen, um ein Überfressen zu vermeiden

Umweltbedingungen:

  • Zu kalt
  • Zugluft
  • Stress

Diese Faktoren reduzieren die Aktivität und Fitness des Immunsystems sowie die Verdauungsfähigkeit der Ferkel, Milch und feste Nahrung können nicht so gut verdaut werden

Haltungsbedingungen verbessern, Erstellung von Arbeitsanweisungen und Protokollen für bessere Haltungs- und Aufzuchtbedingungen

Infektionen

Viren, Bakterien und Parasiten befallen den Magen-Darm-Trakt

Hygiene, Biosicherheit, Impfungen und Prophylaxe reduzieren die Erregerlast der Umgebung

 

Die verschiedenen Durchfallerreger

Eine Vielzahl bakterieller, viraler und parasitärer Erreger  können Saugferkeldurchfall auslösen. Einige sind nahezu überall zu finden, manche beschränken sich auf bestimmte Regionen, Produktionsabschnitte oder Haltungssysteme. Die am häufigsten auftretenden Erreger sollen hier kurz beschrieben werden:

Kokzidien

Die für die Schweinehaltung wahrscheinlich teuersten parasitären Infektionserreger sind Kokzidien, genauer Cystoisospora suis . Kokzidien sind einzellige Parasiten , die sich in der Schleimhaut des Dünndarms vermehren und damit die Darmzotten (Mikrovilli) zerstören . Ihre Schädigung reduziert die Fähigkeit der Tiere zur Absorption der Nährstoffe. Normalerweise sind Kokzidien selbst nicht tödlich. Wenn sie jedoch durch ihre Besiedlung die Darmschleimhaut schädigen, schaffen sie damit einen guten Nährboden für andere Erreger, wie zum Beispiel Clostridium perfringens Typ A. Große Probleme verursachen besonders subklinische Infektionen (Schweine ohne Symptome), bei denen infizierte Ferkel große Mengen Oozysten ausscheiden.

Die Kokzidiose führt zu einem cremig-pastösen Durchfall , bei Beteiligung anderer Erreger auch wässrig. Kokzidien sind sehr schwer zu bekämpfen, da sie in erster Linie Kontaminanten der Umwelt sind. Die Oozysten sind extrem widerstandsfähig und resistent gegenüber den meisten Desinfektionsmitteln. 

Rota- und Coronaviren

Virale Diarrhoen sind in erster Linie durch wässrige Durchfälle, die für nur wenige Tage anhalten, gekennzeichnet.

Die Transmissible Gastroenteritis (TGE)  und Epidemische Virusdiarrhoe (PED)  der Schweine werden durch die Coronaviren TGEV und PEDV ausgelöst. Wenn es auf eine naive Herde trifft, kann das TGE-Virus verheerend sein. Die Erkrankung entwickelt sich explosionsartig. Die Ferkel dehydratisieren schnell.

PED ist vergleichbar zur TGE, hat allerdings eine längere Inkubationsphase (3-5 Tage) und verbreitet sich normalerweise nicht ganz so schnell. Es ist damit leichter unter Kontrolle zu bekommen, wobei Seuchenzüge in den Jahren 2013 (vor allem in den USA) und 2014 (auch in Deutschland) in manchen Regionen Mortalitätsraten von bis zu 95 % bei Saugferkeln zeigten.1 

Rotavirusinfektionen verursachen Durchfälle, die in der Regel nach wenigen Tagen selbstlimitierend sind. Es kann ebenfalls zu starker Dehydratation kommen, Koinfektionen mit Bakterien sind häufig.  Diese Viren sind, wie Kokzidien, in nahezu allen Ställen verbreitet. Besonderes Augenmerk muss auch hier auf die Reinigung und Desinfektion gelegt werden, da Virusmaterial in Kotanhaftungen über längere Zeit infektiös bleiben kann. 

Gegen Viruserkrankungen gibt es derzeit keine erfolgreiche Therapie. Für einige Viruserkrankungen gibt es Impfstoffe, um vor einem schweren Verlauf geschützt zu sein. Der Tierarzt behandelt vor allem die Dehydratation und eventuelle bakterielle Sekundärinfektionen.

Colibacillose (E. coli)

Escherichia coli sind normalerweise harmlose Darmbakterien. Es gibt aber toxinbildende Stämme, welche im Darm dazu führen, dass dieser große Mengen Flüssigkeit absondert und dadurch Durchfälle und Dehydratation verursacht.  Bei einer Colibacillose beim Saugferkel spricht man von der Neonatalen Diarrhoe. E. coli infiziert oftmals junge Ferkel und Neugeborene.

Glücklicherweise ist die Infektion mit E. coli – ungleich Viruserkrankungen – mit Antibiotika behandelbar. Die Isolation, Anzucht und eine Empfindlichkeitsprüfung (Antibiogramm) sind zur Auswahl des richtigen Antibiotikums vonnöten. Die Behandlung einer möglichen Dehydratation ist ebenfalls von höchster Priorität. Die klinischen Folgen einer E. coli-Infektion können mit Hilfe einer Impfung stark reduziert werden.

Salmonellose

Eine Salmonellose ist eigentlich eher assoziiert mit dem Flatdeck oder der Mast. Nichtsdestotrotz sollte man diesen Erreger auch im Abferkelstall kennen, da der Eintrag im Flatdeck auch aus der Aufzucht stammen kann. Verursacher der Salmonellose im Schwein sind vor allem Salmonella Derby und S. Typhimurium .2 S. Typhimurium kommt typischerweise bei Absetzferkeln vor, zeigt aber eine geringe Mortalität.

Eine Salmonellose sollte jedoch nicht unterschätzt werden. Infizierte Tiere sind Ausscheider, das bedeutet, dass sie noch Monate nachdem sie genesen sind (sofern sie überhaupt Symptome zeigten) immer noch Bakterien mit dem Kot ausscheiden und somit eine Infektionsquelle für andere Schweine darstellen. Außerdem handelt es sich um eine Zoonose . Der Mensch kann sich bei den Schweinen selbst, bei der Zerlegung oder in der Küche mit Salmonellen infizieren. Deswegen wird die Überwachung der Salmonellose auch streng und unter anderem in der Verordnung zur Verminderung der Salmonellenverbreitung durch Schlachtschweine (Schweine-Salmonellen-Verordnung) geregelt.

Clostridiose

Clostridien  sind für einige der aggressivsten und schwersten Durchfallerkrankungen bekannt. Sie sind wie E. coli prinzipiell Teil der normalen Darmflora  und machen, sofern die Mikrobiota in Takt ist, auch keine Probleme. Kommt es jedoch zu einer Imbalance, können Clostridien außer Kontrolle geraten. Besonders nach einer antibiotischen Behandlung gegen andere bakterielle Erreger oder auch beim Überfressen, kommt es zu einer Verschiebung der Mikrobiota und damit zu Erkrankungen durch Clostridien. Typischerweise handelt es sich bei den durchfallauslösenden Clostridien um Clostridium perfringens Typ A. Dieser Typ verursacht einen eher pastösen Durchfall und ist in der Regel nicht tödlich. C. perfringens Typ C ist verantwortlich für schwere hämorrhagische (blutige) Durchfälle. Eine Infektion endet schnell tödlich, manchmal verstirbt ein Ferkel, bevor es überhaupt Durchfall gezeigt hat. 

Die Elimination aus der Umwelt gestaltet sich schwierig, da Clostridien sogenannte Sporenbildner sind. Das heißt, in einer für sie unangenehmen Umgebung können sie Sporen ausbilden, sogenannte Dauerstadien, die äußerst widerstandsfähig sind. Ändern sich die Bedingungen wieder, werden diese Sporen zu infektiösen Bakterien und können ihren Wirt infizieren.

Andere Infektionserreger

Das Porcine Respiratory and Reproductive Syndrome (PRRS) Virus  ist ein Infektionserreger, den man zwar nicht direkt mit Durchfallerkrankungen in Verbindung bringt, er sollte allerdings auch in dieser Kategorie kurz angesprochen werden. Diese Viruserkrankung führt unter anderem zur Agalaktie bei Sauen. Die Übertragung der passiven Immunität mittels Kolostrum ist damit gestört und führt sekundär zum Saugferkeldurchfall. Werden die Ferkel bereits während der Trächtigkeit infiziert, kann das Virus auch direkt schwere Durchfallerkrankungen, zusammen mit Atemwegsproblemen und Störungen des zentralen Nervensystems verursachen.

Saugferkeldurchfall – Der Weg zur Diagnose

Auf Grund des multifaktoriellen Geschehens, gibt es selten die eine Ursache. Die richtige(n) Diagnose(n) zu finden kann entsprechend schwierig sein.

Um mögliche Ursachen für den Ferkeldurchfall zu finden, muss der Tierarzt detektivisch die gesamte Haltung untersuchen. Im Folgenden werden einige Faktoren beschrieben, wie man dem Übeltäter auf die Spur kommen kann:

Zeitpunkt

Der Ferkeldurchfall kann zu sehr unterschiedlichen Zeitpunkten auftreten, abhängig vom jeweils beteiligten Erreger beziehungsweise der Ursache. Eine Kokzidiose wird in der Regel am 7. Lebenstag auftreten, eigentlich nie vor dem 5. Lebenstag; eine Clostridiose tritt häufig sehr früh im Leben eines Ferkels auf, ebenso die Colibacillose; die ersten Saugferkeldurchfälle innerhalb der ersten Lebenstage sind aber selten infektiöser Natur, sondern eher auf eine mangelnde Versorgung mit Kolostrum zurückzuführen.

Virale Infektionen führen meist zu Durchfällen ab der zweiten Lebenswoche. Eine Ausnahme stellt hier das TGE-Virus in naiven Herden dar; die Infektion einer naiven Herde geht durch wie ein Lauffeuer und zeigt eine zum Teil sehr kurze Inkubationszeit (Minimum 18 Stunden).

Der Zeitpunkt, wann die Durchfallerkrankung auftritt, ist ein wichtiger Hinweis, sollte jedoch nie ausschließlich zur Diagnose genutzt werden. Im Zusammenspiel mit anderen Kriterien hilft es dem Tierarzt zu entscheiden, welchen Test er anfordern muss oder welche Notfallmaßnahmen zu ergreifen sind.

Wann ist der Durchfall aufgetreten?

Häufigste Ursache

Innerhalb der ersten 3 Lebenstage

Passive Immunität wurde nicht übertragen (Agalaktie, Ferkel haben kein Kolostrum getrunken, die Qualität des Kolostrums war nicht ausreichend)

Innerhalb der ersten 5 Lebenstage

Clostridiose, Colibacillose

7. bis 10. Lebenstag

Kokzidiose

7. bis 15. Lebenstag

Rotavirus

jederzeit

Salmonellose, TGE, PED

 

Abbildung 1 Zeitliches Auftreten DurchfallerkrankungenAbbildung 1 – Zeitliches Auftreten Durchfallerkrankungen: Übersicht über das zeitliche Auftreten verschiedener Durchfallerkrankungen beim Saugferkel

Art des Saugferkeldurchfalls

Die verschiedenen Erreger verursachen verschiedene Arten von Durchfall. Beispielsweise produziert E. coli ein Toxin, welches die Darmzellen dazu bringt, sehr viel Wasser abzusondern, sodass ein eher wässriger Durchfall entsteht. C. perfringens Typ A produziert ebenfalls Toxine. Im Unterschied zum E. coli-Toxin, zerstören die Alpha und Beta 2 Toxine das Darmepithel. Die Qualität des so entstehenden Durchfalls ist eine völlig andere. Kokzidien zerstören ebenfalls das Darmepithel, allerdings nicht so massiv wie C. perfringens. Hier kommt es dadurch zu einer Malabsorption der Nahrungsbestandteile und Durchfall von cremiger Konsistenz.

Wenn man versucht die Ursache anhand der Art des Durchfalls einzugrenzen, sollte man auf Farbe, Konsistenz  und Geruch achten. Auch hier gilt es wieder, nicht nur dieses eine Kriterium allein zur Diagnose heranzuziehen. 

Durchfallursache

Farbe

Konsistenz

Rotavirus

Klar bis Gelb

Wässrig

TGEV und PEDV

Gelb bis Grün

Wässrig

Clostridien

Gelb bis Schwarz

Cremig bis wässrig, je nach Erreger und Stadium

E. coli

Klar bis Gelb

Wässrig

C. suis

Gelb bis Grau

Cremig

Salmonellose

Gelb bis Grün (kann Blutbeimengungen enthalten)

Wässrig

 

Sektionsbefunde und Labortests

Manchmal sieht ein Saugferkeldurchfall so typisch aus, dass der Tierarzt die Ursache ziemlich sicher direkt identifizieren kann (man nennt dieses Symptom ‘pathognomonisch’). Ein Beispiel: Bei einer Clostridiose ist der Darm häufig nekrotisch verändert und sehr blutig. Kaum ein anderer Erreger hinterlässt eine solche Zerstörung. Andere Erreger machen wesentlich subtilere Schäden, sodass selbst eine Verdachtsdiagnose schwierig wäre.

Wenn man Proben in ein Labor schickt, braucht man bereits eine Vorstellung davon, was man erwartet. Für die schnelle Diagnostik von Saugferkeldurchfällen gibt es sogenannte Point-of-Care-Tests (POCT/eine patientennahe Diagnostik, direkt vor Ort). Verschiedene Testsysteme bringen verschiedene Vorteile bezüglich der Prävention, frühzeitiger Detektion der Erreger oder schnelle Entscheidungshilfen durch Identifikation und Charakterisierung des Erregers im Labor.

Die Tabelle zeigt, welche Proben für welche Testsysteme und welche Erreger sinnvoll sind:

Durchfallursache

Probenart

Testsystem

Rotavirus, TGEV, PEDV

1. Kot (Durchfall) 1. ELISA, PCR
2. Dünndarm 2. Histologie, Immunohistochemie
3. Point-of-Care (POC) im Betrieb

Clostridiose

1. Darm .1 Histologie
2. Darminhalt oder Tupferprobe

2. Bakterielle Kultur

3. POC im Betrieb

Colibacillose

1. Darminhalt 1. Bakterielle Kultur und PCR
2. POC im Betrieb

Kokzidiose

1. Kotproben, zwei bis drei Tage nach Beginn des Durchfalls, Sammelkotproben 1. Parasitologie: Flotation, Autofluoreszenz, qPCR

Salmonellose

1. Darminhalt oder Darmstücke 1. Bakterielle Kultur
2. Blutproben 2. ELISA

 

Impfungen gegen Saugferkeldurchfall

Sofern die Ferkel ausreichend Kolostrum zu sich nehmen, sind sie meist gut gegen die gängigen Durchfallerreger geschützt. Wenn es trotzdem zu einem Ausbruch kommt, sollte als Erstes die ausreichende Kolostrumaufnahme und dessen Qualität überprüft werden. 

Wenn die Aufnahme als ausreichend beurteilt wurde, sollte man sich als nächstes das Impfprogramm im Bestand ansehen. Hier geht es um die Sauen, denn auf die Antikörper, die sie nach der Impfung bilden, kommt es an. 

Durchfallursache

Impfempfehlung

Rotavirus

Impfung in später Trächtigkeitsphase mit bestandsspezifischen Impfstoffen für Muttertiere

TGEV, PEDV

in Europa derzeit nicht zugelassen

C. perfringens Typ A und C

Sauenimpfung

Colibacillose

Sauen- und Jungsauenimpfung in später Trächtigkeitsphase

Kokzidiose

Derzeit kein Impfstoff verfügbar

Salmonellose

Standardimpfung

 

Kokzidienkontrollprogramm

Da die Kokzidien nahezu überall verbreitet sind, wird die Kontrolle zum betriebseigenen Status in der modernen Schweinehaltung immer wichtiger. Hierbei kommen neben den klassischen parasitologischen Methoden (Flotation und Autofluoreszenz) auch neuere Methoden wie die kürzlich entwickelte qPCR zum Einsatz.

Biosicherheit

Sind die Tiere vom Saugferkeldurchfall betroffen, wird der Tierarzt auch immer einen Blick auf die Biosicherheitsmaßnahmen werfen. Dabei wird er darauf achten, welche Protokolle es im Betrieb gibt und ob diese ausreichend sind. Wenn dies nicht regelmäßig überprüft und auf die Probe gestellt wird, kann es sein, dass Erreger durch eine mangelhafte Biosicherheit eingetragen werden. Vor allem hartnäckige Erreger wie Kokzidien können aus der Umwelt über Schadnager und andere Vektoren in den Betrieb eingetragen werden. 

Behandlung und Prävention von Durchfällen

So vielfältig wie die möglichen Ursachen des Saugferkeldurchfalls, so vielfältig sind die möglichen Behandlungsmethoden. 

Durch Clostridien verursachte Durchfälle mit Antibiotika zu behandeln ist umstritten und auch häufig nicht erfolgreich - im Gegenteil, die Durchfälle werden dadurch oft schlimmer. Sulfonamide und andere Antibiotika wurden in der Vergangenheit häufig zur Kokzidienbehandlung eingesetzt – mit mäßigem bis gar keinem Erfolg. Antibiotika sollten generell nur nach vorheriger Erregerbestimmung und Empfindlichkeitsprüfung angewendet werden.

Wenn es um die Prävention  geht, sieht es schon besser aus. Besonders die allgemeine Stallhygiene spielt hier eine große Rolle. Mit der Intensivierung der Haltung müssen die Hygienestandards und –protokolle von höchster Qualität sein, sonst haben sie keinen Effekt mehr.

Da viele Durchfallerreger mit dem Kot ausgeschieden und verbreitet werden, ist die Entsorgung der Ausscheidungen und Sauberhaltung von Güllekanälen von oberster Priorität.  Zusätzliche Einstreu im Ferkelbett ist eine gute Maßnahme, muss aber regelmäßig gereinigt werden. Nager, Vögel, Insekten und andere belebte Vektoren können Kotanhaftungen und damit Pathogene zwischen den Gruppen verbreiten. Hier haben Schädlingsbekämpfungs- und Biosicherheitsmaßnahmen oberste Priorität. Sie helfen weitere Durchfallerkrankungen zu verhindern.

Das Alles-Rein-Alles-Raus Verfahren  ist ein höchst effizientes System. Hier nimmt die Desinfektion der Buchten eine besonders wichtige Rolle ein. Auf die Auswahl des richtigen Desinfektionsmittels kommt es an. Nicht jedes Desinfektionsmittel ist für jeden Erreger geeignet. Die Oozysten der Kokzidien beispielsweise, sind gegenüber den meisten Desinfektionsmittel resistent!

Hat sich eine Durchfallerkrankung im Bestand erst einmal etabliert, macht es Sinn über eine Impfung nachzudenken.

Eine bewährte Methode der Prävention sind Prophylaxe und Metaphylaxe . Prophylaxe bedeutet, Medikamente anzuwenden, bevor es erste Anzeichen einer Erkrankung gibt. Metaphylaxe bezeichnet die Behandlung von augenscheinlich gesunden Tieren, während Tiere derselben Gruppe bereits erste Symptome zeigen.

Kokzidiostatika  wie Toltrazuril  können in vorberichtlich positiven Betrieben pro- und metaphylaktisch  angewendet werden. Orale Mittel erscheinen dabei ökonomisch und leicht in der Anwendung. Problematisch dabei ist allerdings, dass nicht immer alle Ferkel die optimale Dosis erhalten. Die Administration über eine Injektion ist sicher und garantiert eine ausreichende Versorgung mit dem entsprechenden Mittel.

Die metaphylaktische Behandlung der Kokzidiose reduzierte die Durchfallwahrscheinlichkeit um 83-98 % sowie die Mortalität durch Sekundärinfektionen um bis zu 63 % .3 Das erspart Zeit und Geld, indem gehandelt wird bevor der Durchfall ausgebrochen ist. Zusätzlich werden dadurch weniger Antibiotika verwendet, da es seltener zu bakteriellen Sekundärinfektionen kommt. Entsprechend behandelte Ferkel hatten in einer weiteren Studie dadurch 25 g höhere Tageszunahmen verglichen mit unbehandelten Ferkeln, auch ohne klinisches Durchfallgeschehen.4 

Ferkelversorgung und Managementmaßnahmen 

Intensive Planung und Arbeit im Abferkelbereich zielen vor allem auf einen guten Start ins Leben für eine gesunde Entwicklung unserer Ferkel ab. 

Um Saugferkeldurchfälle zu reduzieren oder gar ganz zu vermeiden, gibt es folgende Strategien:

Kolostrum und Ferkelmanagement

Man kann es nicht oft genug betonen: Kolostrum in ausreichender Menge und bester Qualität ist das A und O der Ferkelgesundheit. Wie bereits mehrfach erwähnt, erkranken Ferkel häufiger an Durchfall, wenn sie nicht ausreichend Kolostrum erhalten haben. Auch Kolostrum minderer Qualität oder zum falschen Zeitpunkt kann dazu führen, dass die Tiere häufiger an Saugferkeldurchfall leiden. Die Aufnahme muss innerhalb der ersten 48 Stunden nach der Geburt erfolgen, wobei die Aufnahme innerhalb der ersten Lebensstunden am effektivsten ist. 

Ist die ausreichende Versorgung mit Kolostrum nur bedingt möglich, können Methoden wie “Split-Suckling”, Saugtraining, Flaschenaufzucht oder Ammensauen zum Einsatz kommen.

Abbildung 3 Ferkel auf Stroh

Einstreu ist eine häufige Kontaminationsquelle, weshalb gern darauf verzichtet wird. Allerdings trägt etwas Einstreu oder Stroh sehr zum Wohlbefinden der Ferkel bei. Dabei sollte verschmutzte Einstreu mindestens täglich ausgetauscht werden. Eine vollständige Reinigung und Desinfektion der Abferkelbucht sollte zwischen den Würfen erfolgen.

Biosicherheit

Die richtige und gründliche Reinigung und Desinfektion der Abferkelbuchten hilft das Auftreten von Saugferkeldurchfällen zu minimieren. Dabei muss darauf geachtet werden, dass die richtigen Desinfektionsmittel  für die entsprechenden Erreger verwendet werden, da nicht alle Desinfektionsmittel gleichermaßen wirken (z. B. lassen sich Kokzidien nur mit kresolhaltigen Desinfektionsmitteln beseitigen). 

Ein Alles-Rein/Alles-Raus-Verfahren hat sich für viele Betriebe und Haltungsformen bewährt. Diese Methode ist als Teil eines Biosicherheitsprogramms zu werten. Für welche Methode Sie sich letztlich auch entscheiden, am wichtigsten dabei ist die Kommunikation mit allen Mitarbeitenden auf dem Betrieb.

Auswirkungen auf die Produktion

Die ökonomischen Auswirkungen einer Durchfallerkrankung sind abhängig von der jeweiligen Ursache. Häufig kommt nicht nur ein Erreger allein und die Symptome sind nur die Spitze des Eisbergs. Mit weiterer Intensivierung der Schweinehaltung wird es noch wichtiger, auf gutes Management, Reinigung und Desinfektion und Haltung zu achten – die Möglichkeit Fehler zu machen wird immer geringer. Auch hervorragend geführte Betriebe werden hin und wieder von Krankheitsausbrüchen heimgesucht.

Als Beispiel soll hier nochmal die Kokzidiose erwähnt werden. Derzeit sind etwa 75 % der europäischen Schweinehaltungen mit Kokzidien kontaminiert. Bis zu 100 % der Tiere innerhalb einer Farm können mit Kokzidien infiziert sein.5

Die durch die Kokzidien verursachten Schäden der Dünndarmschleimhaut führt zur Reduzierung der gewünschten Tageszunahmen durch schlechte Futterverwertung – und zwar bis zum Ende der Mast. Kurz gesagt, Schweine mit einer Kokzidieninfektion erhöhen die Kosten der Mast und brauchen länger, um das gewünschte Endgewicht zu erreichen. 

 

1 Friedrich-Loeffler-Institut (Ed.). FAQ Epizootische Virusdiarrhoe bei Schweinen. Informationen des FLI : FAQs. 2015.

2 Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL). BVL-Report 16.1. Berichte zur Lebensmittelsicherheit. Zoonosen-Monitoring 2020. BVL 2021

3 Ózsvári L. Production impact of parasitisms and coccidiosis in swine. Journal of Dairy, Veterinary & Animal Research 2018; 7(5):217-222. doi: 10.15406/jdvar.2018.07.00214

4 Maes D, Vyt P, Rabaeys P, Gevaert D. Effects of toltrazuril on the growth of piglets in herds without clinical isosporosis. Vet J. 2007 Jan;173(1):197-9. doi: 10.1016/j.tvjl.2005.07.002. Epub 2005 Aug 24.

5 Hinney B, Cvjetković V, Espigares D, Vanhara J, Waehner C, Ruttkowski B, Selista R, Sperling D, Joachim A. Cystoisospora suis Control in Europe Is Not Always Effective. Front Vet Sci. 2020 Mar 4;7:113. doi: 10.3389/fvets.2020.00113. 

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