Inhalt
- Atemwegserkrankungen kosten…
- Nichtinfektiöse Ursachen für Atemwegserkrankungen
- Gutes Stallklima für gesunde Atemwege
- Gesunde Lunge, leistungsfähiges Schwein
- Husten, Schnupfen, Heiserkeit – die Symptome von Atemwegsproblemen
- Atemwegserkrankungen machen richtig krank
- Die wichtigsten Atemwegserreger im Überblick
- Diagnose-Tools bei Atemwegserkrankungen
- Schlachtlungencheck – ein Blick ins Schwein und auf die Herdengesundheit
- Atemwegserkrankungen wirkungsvoll verhindern
Noch immer sind Atemwegserkrankungen neben Darminfektionen und Reproduktionsstörungen die wichtigsten Erkrankungen und in vielen Betrieben bei Schweinen in jeder Alters- und Produktionsstufe weit verbreitet . Husten ist oft so alltäglich, dass Tierbetreuer ihn gar nicht bewusst bei ihrer Arbeit im Stall wahrnehmen. Wo Infektionen eher im Hintergrund verlaufen, offenbaren vielfach erst Schlachtlungenbefunde die Probleme eines Betriebes durch die Dokumentation krankhaft veränderter Schweinelungen. Atemwegserkrankungen können bereits Ferkeln Probleme bereiten, nicht selten treten sie aber erst gegen Mastende auf. Allen gemeinsam ist der negative Einfluss auf das Wohlbefinden der Tiere, Leistungseinbußen und ein hoher wirtschaftlicher Schaden.
Atemwegserkrankungen kosten …
Selten sind Atemwegsinfekte sogenannte Monoinfektionen. Oftmals spielen mehrere Erreger zusammen oder ein Erreger schafft durch Vorschädigungen der Atmungsorgane die Voraussetzungen für schwer verlaufende Sekundärinfektionen durch weitere Bakterien oder Viren . Schlechte Umweltbedingungen begünstigen Infektionen. Neben dem Tierwohl zwingen auch die wirtschaftlichen Auswirkungen zum raschen und wirksamen Handeln. Die Erkrankungen führen neben hohen Tierverlusten zu schlechten Gewichtszunahmen und einer verlängerten Mastdauer. Oftmals wachsen Mastgruppen auseinander und stören den Fluss in der Produktionskette zwischen Ferkelerzeugung und Schlachtung. Über alle Produktionsstufen hinweg führen hohe Behandlungskosten und ein enormer Behandlungsaufwand zu wirtschaftlichen Einbußen und erheblicher Arbeitsbelastung. Zudem steigen die Futterkosten durch die verlängerte Mastdauer der auseinander gewachsenen Tiere und deren schlechtere Futterverwertung.
Nichtinfektiöse Ursachen für Atemwegserkrankungen
Eine hohe Stressbelastung hat einen negativen Einfluss auf die Qualität des Immunsystems . Durch zu rasche Futterumstellung oder mangelhafte Futterpartien kann Stress entstehen und sich unmittelbar auf das Immunsystem auswirken. Wurfausgleich und der Einsatz von Ammen sowie Rangordnungskämpfe bei großen Würfen am Gesäuge führen bereits bei den Jüngsten im Stall, den Saugferkeln, zu erheblichem Stress. Rangordnungskämpfe bei häufigen Gruppenwechseln nach dem Absetzen, Transporte sowie eine hohe Belegungsdichte verursachen Stress und schädigen die Abwehrfähigkeit der Lunge. Ein gestresster Organismus kann nur unzureichend auf Krankheitserreger reagieren und begünstigt schwere Krankheitsverläufe. Die Leistungen brechen ein und Behandlungskosten schnellen in die Höhe. Auch weitere Managementfaktoren, wie ein inkonsequentes Rein-Raus-Verfahren oder nachlässiges Handeln in Bezug auf Biosicherheit im Tierverkehr, zu kurze Quarantäne für Zukauftiere, wie Jungsauen in Zuchtbetrieben, begünstigen Atemwegsprobleme. Diese Faktoren potenzieren sich, wenn der Schweinebetrieb in einer viehdichten Region mit hoher Tiermobilität liegt oder wenn immer wieder Tiere aus unterschiedlichen Herkünften mit unbekanntem Gesundheitsstatus in den Betrieb eingestallt werden. In diesen Fällen ist der Erregerdruck für zahlreiche Atemwegserkrankungen sehr hoch.
Gutes Stallklima für gesunde Atemwege
Mängel im Stallklima können das Auftreten von Atemwegserkrankungen begünstigen. Durch fehlerhaft arbeitende Lüftungssysteme werden die Tiere einer nicht angemessenen Temperatur oder zu hoher Luftfeuchtigkeit ausgesetzt.
Beim Auftreten von Zugluft werden die Tiere durch Auskühlung geschwächt. Die überströmende Luft sollte im Winter weniger als 0,2 m/s, bei Temperaturen über 24 °C rund 0,6 m/s betragen. Eine mangelhafte Lüftung führt insbesondere in geschlossenen Stallsystemen unmittelbar zu einer Beeinträchtigung der Atemwege. Der Temperaturunterschied sollte tagsüber 5 °C nicht überschreiten und die Luftfeuchtigkeit zwischen 50 - 80 % liegen. Eine zu hohe Luftfeuchtigkeit begünstig die Bildung von Schimmelpilzen.
Ist die Luftwechselrate zu gering, werden dadurch hohe Schadgaskonzentrationen begünstigt. Schadgaskonzentrationen, die oberhalb der Grenzwerte liegen, können bei empfindlichen oder vorgeschädigten Tieren einen negativen Einfluss auf die Gesundheit der Atemwege haben.
Eine hohe Staubbelastung oder Pilzsporen reizen die Atemwege der Tiere , führen dort zu lokalen Entzündungen und ebnen weiteren Erregern den Weg. Pellet- oder Nassfütterung minimiert den inhalierbaren Staub, kann aber unter Umständen Darminfektionen, wie Salmonellose begünstigen. Eine sorgfältige Hygiene minimiert bakterielle Erreger und Endotoxine.
Vor allem im Winterhalbjahr begünstigen nasskaltes Wetter, tiefe Nebellagen mit geringem Luftaustausch und geringe UV-Strahlung die Verbreitung von Atemwegsinfektionen. Dabei gilt es, den Eintrag luftgetragener Bakterien und Viren über die Lüftung zu minimieren.
Auch im Frühjahr und Herbst sind die Temperaturschwankungen tagsüber hoch, was zu einer Schwächung des Immunsystems der Tiere führt. Da sich dies begünstigend auf den Erregerdruck auswirkt, ist es in diesen Jahreszeiten besonders wichtig, für eine Minimierung des Erregereintrags zu sorgen.
Eine gut gewartete und funktionssichere Technik hilft, die widrigen Einflüsse von außen abzupuffern und sorgt für ein ausgeglichenes Stallklima in der jeweiligen Komfortzone der unterschiedlichen Altersgruppen .
Höchstwerte für Schadgaskonzentrationen nach Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung (TierSchNutztV)
Gesunde Lunge, leistungsfähiges Schwein
Der Atemtrakt des Schweines ist ein hochfunktionales und empfindliches Organsystem . Von der Nase bis tief in die Lunge hinein verästelt sich das System, feuchtet im vorderen Bereich die Atemluft an und ist in der Lage eindringende Partikel sowie eine gewisse Erregerlast wieder hinauszubefördern. Die Luftwege gehen über in die Lungenbläschen, in welchen der Gasaustausch stattfindet. Die Lunge steht so auch im engen Kontakt mit dem Blutkreislauf und folglich allen anderen Organen. Das lokale Immunsystem der Lunge liegt an den Schleimhäuten und kann durch verschiedene Einflüsse, wie organische und anorganische Staubpartikel, Schadgase und hier besonders Ammoniak bereits in niedrigen Konzentrationen oder Erreger geschädigt werden.
Schematische Darstellung der Aufzweigung der Luftwege in einer Schweinelunge.
Husten, Schnupfen, Heiserkeit – die Symptome von Atemwegsproblemen+
Tiere, die von akuten oder chronischen Atemwegsproblemen betroffen sind, können dies auf sehr vielfältige Weise zeigen. Husten kann ein Indikator für zu staubige Luft und gereizte Atemwege sein. Tritt Husten häufiger und bei mehreren Tieren oder in ganzen Abteilen auf, muss schnellstmöglich die Ursache ergründet werden. Im Falle eines Erregereintrags müssen besondere Sicherheitsmaßen ergriffen werden, um eine virale oder bakterielle Infektion nicht im gesamten Bestand zu verschleppen. Immer sollte auch die nicht zu vernachlässigende Möglichkeit eines Parasitenbefalls in Betracht gezogen werden.
Wie beim Menschen, zeigen Schweine bei verschiedenen Infektionen trockenen oder produktiven Husten, sie atmen schwer, röcheln, haben hörbare Atemgeräusche, husten nur gelegentlich oder haben einen anhaltenden Hustenreiz. Husten wird durch die Reizung der Nervenenden in der Schleimhaut der Atemwege durch Luftverunreinigungen oder Erreger von Atemwegsinfektionen ausgelöst. Die akustische Einordnung des Hustens, das Zählen der Hustenepisoden und die Dokumentation, wie schnell sich der Husten über die Tiere ausbreitet, können einen ersten Hinweis liefern, welcher oder welche Erreger im Spiel sind. Zielgerichtet kann der Tierarzt entsprechende Untersuchungen einleiten und die Diagnose absichern.
Entnahme eines Nasentupfers zur Erregerdiagnostik.
Neben Husten, Schnupfen und Augenausfluss weisen weitere Krankheitsanzeichen in einem frühen Stadium auf eine Atemwegsinfektion hin:
- Schlechte Futter- und Wasseraufnahme, Appetitlosigkeit
- Geringe Aktivität, mattes oder apathisches Verhalten
- Erhöhte Körpertemperatur
- Verstärkte Atmung, Rasselgeräusche, Atemnot und Schnappatmung
- Gestreckter Kopf
Husten ist die vordergründige Reaktion auf Störungen in den Atemwegen. Diese können mechanische Reize durch kleinste Partikel, Entzündungen mit Sekretbildung, Absterben von Zellen in den Atemwegen oder Reizung der Nervenenden in der Schleimhaut der Atemwege sein.
Atemwegserkrankungen machen richtig krank
Atemwegserkrankungen im Schweinebestand verlaufen häufig schwer. Sie breiten sich schnell im gesamten Bestand aus und bereiten den Sekundärinfektionen den Weg. Die erkrankten Tiere sind lethargisch und matt, die Futter- und Wasseraufnahme geht deutlich zurück. Die Tiere haben Fieber. Je nach Erreger wird ein wässriger Nasen- und Augenausfluss von einem feuchten, produktiven oder schmerzhaft trockenen Husten mit mehr oder weniger ausgeprägtem Reiz begleitet. Hinzu kommt eine erhöhte Atemfrequenz, bei schweren Verläufen und stark geschädigter Lunge auch Atemnot.
Vitalwerte gesunder Schweine.
Die wichtigsten Erreger im Überblick:
Wegbereiter, Primär- und Sekundärinfektionen
Auch Infektionen, an denen nur ein Erreger beteiligt ist (Monoinfektionen) führen zu schwerwiegenden Atemwegserkrankungen (zum Beispiel Actinobacillus pleuropneumoniae, APP). Jedoch sind meist mehrere virale und bakterielle Erreger an einem Krankheitsgeschehen beteiligt. Virale Erreger schädigen häufig im Vorfeld die Atmungsorgane. Dieser unzureichende Schutz des vorgeschädigten Gewebes sowie ein geschwächtes Immunsystem öffnen Bakterien die Tür für Sekundärinfektionen.
Zu den wichtigsten Wegbereitern von hartnäckigen Atemwegsproblemen gehört Mesomycoplasma hyopneumoniae (M. hyo). Das zellwandlose Bakterium ist der Verursacher der enzootischen Pneumonie. Der Erreger kann in nahezu jeder Schweinhaltung nachgewiesen werden. Schwere und Verlauf der Infektion werden von vielen Faktoren bestimmt. M. hyo wird im direkten Tierkontakt, aber auch luftgetragen über mehrere Kilometer weitergegeben. Die Infektion zerstört das Flimmerepithel der Atemwege und damit die Selbstreinigungskraft der Bronchien gegen Staub, Sporen und weitere Erreger. Eine schlechte Futterverwertung, geringe Zunahmen und eine längere Mastdauer sind Folgen einer Infektion mit M. hyo. Hinzu kommen häufig schwere Verläufe mit Sekundärinfektionen. Die Impfung gegen M. hyo zählt deshalb zu den Standardimpfungen der Ferkel und ist Voraussetzung für deren Vermarktung. Die Impfung verhindert keine Infektion, reduziert aber die durch Mykoplasmen bedingten Schäden erheblich und senkt signifikant das Risiko schwerer Verläufe durch Sekundärinfektionen.
Die Influenza A (IAV) oder „Swine influenza A virus“ (swIAV) ist ebenfalls eine Primärinfektion. Trat die Schweineinfluenza früher als klassische Influenza durch die Stämme H1N1, H1N2 und H2N3 saisonal in kurzen heftigen Wellen mit hohem Fieber und brüllendem Husten auf, findet man diese Viren heutzutage ganzjährig auf den Betrieben. Die Tierverluste sind bei alleiniger Influenzainfektion meist gering. Schwere Verläufe sind auf bakterielle Sekundärinfektionen im vorgeschädigten Lungengewebe zurückzuführen. Seit dem Auftreten der pandemischen Influenzastämme im Jahr 2009, werden diese Viren am zweithäufigsten in betroffenen Betrieben nachgewiesen. Influenzaerkrankungen treten inzwischen ganzjährig auf. Sie verlaufen häufig subklinisch mit geringgradigen Symptomen im Bereich der Atemwege. Bei Sauen treten swIAV-Infektionen häufiger in Begleitung von Reproduktionsproblemen auf. Die pandemischen Stämme H1pdmN1 und H1pdmN2 unterdrücken das Immunsystem (immunsuppressive Wirkung) und sind daher in der Lage, die Wirkung verschiedener Impfstoffe stark abzuschwächen.
Häufig treten aufgrund von Sekundärinfektionen schwere Krankheitsverläufe auf, wodurch die Tierverluste stark ansteigen und die Leistungen in allen Produktionsstufen deutlich reduziert ist. Das Schwein kann sich mit den Influenzaviren des Menschen, Geflügels und Schweins infizieren. Dabei besteht die Möglichkeit, dass diese unterschiedlichen Influenzastämme innerhalb des Schweineorganismus ihre genetischen Informationen mischen und neu anordnen. Dabei werden sogenannte Reassortanten gebildet. Diese können über ein zoonotisches Potential verfügen und so den Menschen infizieren.
Daher besteht ein hohes Interesse die Influenzaviren beim Schwein eng zu monitoren. Einen aktuellen Überblick über die in den Beständen identifizierten Influenzastämme bietet die Ceva Influenza Map .
Das Porcine Reproductive and Respiratory Syndrome (PRRS) Virus verursacht bei Ferkeln und Mastschweinen Atemwegserkrankungen. Bei Sauen führt die Virusinfektion zu seuchenhaften Spätaborten im letzten Trächtigkeitsdrittel und hohen Saugferkelverlusten. Die Erkrankung kann unterschiedlich stark auftreten. Symptomlos erkrankte Zukauftiere können das Virus in den Bestand eintragen. Die Übertragung mit dem Sperma ist ebenso möglich wie durch Menschen, Luft und Transportfahrzeuge. Die Immunisierung gegen das PRRS-Virus gehört in manchen Regionen zu den Standardimpfungen für Ferkel und Zuchtsauen.
Das Porcine Circovirus Typ 2 (PCV2) kommt weltweit in allen Schweinebeständen vor. Das PCV2-Virus schwächt das Immunsystem der infizierten Tiere und begünstigt sekundäre Atemwegsinfektionen durch M. hyo, APP sowie PRRSV und trägt zum Porcine Respiratory Disease Complex (PRDC) bei. Die konsequente Impfung der Ferkel kurz vor dem Absetzen ist heute praktisch Voraussetzung für die Vermarktung. Ein PCV2-Ausbruch in der Aufzucht und Mast führt zu erheblichen Leistungseinbußen wie Kümmerwuchs, therapieresistenten Atemwegserkrankungen und Tierverlusten. Ein hoher Infektionsdruck in der Herde kann eine zusätzliche Sauenimpfung erfordern. Das Porzine Circovirus ist sehr widerstands- und anpassungsfähig. Seit der Entdeckung des Erregers vom Genotyp PCV2a in archivierten Schweinegewebeproben aus 1962, zeichneten sich 2003 erst PCV2b und seit 2012 zunehmend PCV2d für Circovirus-Infektionen verantwortlich.
Hohes Fieber, Apathie, schlechte Futteraufnahme und Schweine, die im Hundesitz mit blaugefärbten Ohren um Luft ringen, sind ein deutlicher Hinweis auf eine Infektion mit Actinobacillus pleuropneumoniae (APP) . Sterbende Tiere haben blutigen Schaum vor Nase und Maul. Ausfälle treten praktisch bei Tieren aller Alterskategorien auf, wirtschaftlich am dramatischsten sind jedoch Todesfälle am Ende der Mast. Schwer verlaufende Lungen- und Brustfellentzündungen führen ohne eine rasche antibiotische Behandlung innerhalb weniger Stunden (perakute Form) bis drei Tage (akute Form) zum Tod. Die Toxine (APX I-III) des gram-negativen Bakteriums zerstören die Lungenmakrophagen und roten Blutkörperchen. Beim chronischen Verlauf kommt es zu entzündlichen Veränderungen von Lunge und Brustfell. Die Einschleppung erfolgt häufig über Zuchtsauen, Eber und Masttiere. Stressfaktoren, wie hohe Besatzdichte, das Mischen von Tiergruppen, Hygienemängel und schlechtes Stallklima begünstigen einen APP-Ausbruch. Schlachtlungenchecks zeigen auch subklinische Verläufe auf.
Ein weiteres Problem kann die Glässer’sche Krankheit darstellen, welche durch das Stäbchenbakterium Glaeserella parasuis hervorgerufen wird. Dieses führt zu einer Entzündung der inneren Körperhäute und Gelenkentzündungen mit hohem Fieber. Neben Herzbeutel, Bauch- und Rippenfell können auch Hirnhäute von der bakteriellen Infektion betroffen sein. Bei schweren Verläufen kommt es auch zu Lungenentzündungen. Die Glässer’sche Krankheit trifft vorwiegend Aufzuchtferkel.
Eine leichte Bronchitis, die einem Keuchhusten ähnelt, wird durch das Bakterium Bordetella bronchiseptica verursacht. Schwere Verläufe führen zu eitrigen Lungenentzündungen, sogenannten Bordetella-bronchiseptica-Pneumonien. Der Erreger tritt vor allem bei Saugferkeln auf und führt durch Atemnot und anhaltendes Niesen zu Kümmerwuchs. Häufig kommt es zu einer gemeinsamen Infektion mit Pasteurella multocida , dem Verursacher der Schnüffelkrankheit, Rhinitis atrophicans . Hierbei handelt sich um eine Faktorenerkrankung, an der weitere Erreger wie Mykoplasmen, im Zusammenspiel mit ungünstigen Haltungsbedingungen beteiligt sind. Pasteurella multocida Typ D bildet bei der progressiven Rhinitis atrophicans ein Toxin, dass die Knochenzellen (Osteoblasten) hemmt und so die Nasenscheidewand von Ferkeln bis zur vollständigen Verkürzung und Verkrümmung des Rüssels schädigt und dadurch die Futteraufnahme stark beeinträchtigen kann. Die spiralförmigen Luftfilter der Nasen (Nasenmuscheln) werden so weit zerstört, dass Staub und bakterielle Erreger ungehindert in die Atemwege eindringen können und Infekte begünstigen. In der jüngeren Vergangenheit ist diese Infektion zurückgegangen (Erregerfreiheit), eine Impfung gegen beide Erreger sowie des P. multocida-Toxins ist möglich.
Opportunistische Erreger sind solche, die sich in einem immungeschwächten Organismus ausbreiten und typisch für Sekundärinfektionen sind. Zu diesen zählen Umweltkeime sowie Erreger, die auf der Haut oder Schleimhaut vorkommen und in einem stabilen Tierorganismus keine Erkrankung verursachen. Im Zusammenhang mit Atemwegserkrankungen bei Schweinen ist der Eitererreger Trueperella pyogenes im diagnostischen Fokus. Er spielt im Hinblick auf die Lebensmittelhygiene eine wichtige Rolle, da befallene Organe oder im schlimmsten Fall der gesamte Schlachtkörper verworfen werden muss, was zu Erlösausfällen führen kann. Auch Streptococcus suis und verschiedene Staphylococcus-Stämme treten in der Folge von viralen Primärerkrankungen oder Mykoplasmeninfektionen in den Atemwegen regelmäßig auf.
Parasitäre Atemwegserkrankungen
In seltenen Fällen können auch Parasiten Atemwegsprobleme verursachen oder bestehende Erkrankungen verstärken. Massiver Spulwurmbefall (Ascaris suum ) ruft beispielsweise Symptome einer Lungenerkrankung hervor. Nur in Freilandhaltungen treten Infektionen mit Lungenwürmern (Metastrongylus spp. ) auf, da diese Regenwürmer als Zwischenwirte benötigen. Die Larven befallen die Lungen und Bronchien, wo sie bei Ferkeln Entzündungen und Blutungen verursachen. Auch ausgewachsene Würmer können Ursache einer Bronchitis sein.
Diagnose-Tools bei Atemwegserkrankungen
Neben der Erregeridentifizierung durch den Tierarzt muss der Tierhalter die Umweltbedingungen des erkrankten Bestandes deshalb kritisch auf Schwachstellen in Bezug auf nicht-infektiöse Faktoren prüfen. Erste Hinweise auf infektiöse Ursachen werden durch die Erhebung der sichtbaren Symptome (Fieber) sowie die Beschreibung von Abweichungen der Atemgeräusche und des Hustens gegeben. Jede Erkrankung hat ihren eigenen Klang, an dem ein routinierter Tierarzt oder Tierhalter bereits mögliche Differentialdiagnosen erkennt.
Die Atemwege von Schweinen weisen durch ihren ständigen Umweltkontakt eine Vielzahl von Erregern auf, die nicht zwingend an einem Krankheitsgeschehen beteiligt sein müssen. Zur Abklärung stehen mehrere Untersuchungsmethoden zur Verfügung, die erst in einem Gesamtbild Aufschluss über die Beteiligung eines Erregers an einem akuten oder chronischen Krankheitsgeschehen im Bestand geben. Die (sehr) empfindliche Polymerase Kettenreaktion (PCR) dient dem Nachweis der Erbinformation von Erregern und weist somit dessen potenzielle Beteiligung an einer Erkrankung nach. Das Untersuchungsmaterial wird aus Nasentupfern, Kaustrickproben (sogenannten Oral Fluids ), Organmaterial oder Blut gewonnen. Je nach Ort der Probennahme können Aussagen über eine Beteiligung des Erregers getroffen werden. Für verschiedene Erreger stehen PCR-Untersuchungsmethoden (qPCR) zur Verfügung, die Aussagen über die Erregermenge erlauben.
Sammlung von Probenmaterial mit Kaustricken im Flatdeck.
Ein indirekter Erregernachweis über Antikörperuntersuchungen , beispielsweise mittels Enzyme-linked Immunosorbent Assay (ELISA) , gibt Aufschluss darüber, mit welchen Erregern sich das Immunsystem des Tieres in der Vergangenheit auseinandergesetzt hat. Auch hier ist eine Aussage über die Beteiligung eines Felderregers oft nicht unmittelbar möglich, wenn beispielsweise junge Ferkel noch maternale Antikörper aufweisen oder Tiere Impfantikörper tragen. Bei einem akuten Ausbruch kann eine serologische Doppelbeprobung (ein sogenanntes Serumpaar) jedoch genauere Informationen über die Beteiligung eines Erregers liefern. Hierzu wird der Antikörpertiter im Abstand von zwei bis drei Wochen bestimmt. Bei einem Anstieg des Titers ist von einer Beteiligung des Erregers an einer akuten Erkrankung auszugehen.
Sektionen von verendeten oder notgetöteten Tieren stellen letztendlich die wichtigste Untersuchungsmethode dar, weil dadurch alle beim Tier relevanten Organveränderungen aufgezeigt werden können. Ein Erreger kann mittels der oben genannten Tests direkt (PCR) oder indirekt (ELISA) nachgewiesen werden, jedoch bleibt dann die Frage offen, ob dieser auch tatsächlich am klinischen Bild beteiligt ist. Daher ist es sinnvoll, unbehandelte Tiere zur pathologischen Untersuchung einzusenden und diese auf Veränderungen und Zerstörung von Organen untersuchen zu lassen. Feingewebliche Untersuchungen (Histologie) des Lungengewebes, Brust- und Bauchfells erlauben eine Abgrenzung unterschiedlicher Formen von Lungenentzündung und damit Rückschlüsse auf den verursachenden Erreger.
Schlachtlungencheck – ein Blick ins Schwein und auf die Herdengesundheit
Atemwegserkrankungen bei Schweinen sind ein wichtiger Negativfaktor für das wirtschaftliche Betriebsergebnis. Häufig sind Ausbrüche sehr viel teurer als sie auf den ersten Blick erscheinen und übersteigen die Kosten für eine Impfprophylaxe bei weitem. Die beteiligten Erreger und nicht-infektiöse Faktoren können sich dabei in ihrer Wirkung verstärken. Schweine können geringe Beeinträchtigungen an den Atmungsorganen zunächst kompensieren. Größere Schäden wirken sich jedoch negativ auf deren Leistung aus. Schlachtlungenchecks geben wichtige Hinweise auf einen bzw. mehrere Erreger und liefern einen wichtigen Einblick in die Herdengesundheit. Sie ergänzen das diagnostische Gesamtpaket aus serologischen und pathologischen Untersuchungen.
Hierfür wurde das Ceva Lung Program (CLP) entwickelt, mit dem krankhafte Lungenveränderungen auch bei größeren Partien am Schlachtband erfasst und ausgewertet werden. Dieser Service wird für Landwirte angeboten und dient auch der Evaluierung von Schutzimpfungen. Das Schlachtlungen-Scoring erfolgt nach einem standardisierten wissenschaftlichen Verfahren, das die Vergleichbarkeit der Daten sicherstellt. Die errechneten Indexzahlen lassen einen überbetrieblichen Vergleich im Rahmen der Betriebsberatung zu. Besonders sichtbar macht ein CLP-Scoring Infektionen mit M. hyo und APP.
Ceva Lung Program zur Eingabe von veränderten Lungenwerten
Atemwegserkrankungen wirkungsvoll verhindern
Gute, stressarme Haltungsbedingungen, insbesondere eine großzügige Belegungsdichte und ein zuverlässig funktionierendes Lüftungsmanagement sind die wichtigsten Voraussetzungen, um Atemwegserkrankungen weitgehend zu vermeiden. Hinzu kommt ein konsequentes Hygiene- und Desinfektionsmanagement mit dem peniblen Einhalten von Schwarz-Weiß-Bereichen. Ebenso trägt eine adäquate Fütterung maßgeblich zur Schweinegesundheit bei. Das Hygienemanagement nach Madec (20-Punkte Plan) ist hierfür ein wegweisendes und bewährtes Tool. Infektionsketten innerhalb und außerhalb des Betriebes müssen aufgespürt und unterbrochen werden. Hinzu kommt ein betriebsindividuelles Impfschema , welches der Tierarzt zusammen mit dem Landwirt ausarbeitet. Hier muss die Lage des Betriebs im Hinblick auf Viehdichte, Viehverkehr, Handelsbeziehungen zu Ferkelerzeugern, Sauenvermehrern sowie die Anforderungen von Mästern und Handelsorganisationen berücksichtigt werden. Eine betriebliche Routinediagnostik spürt Infektionen frühzeitig auf.