Inhalt
- So entsteht eine Eisenmangelanämie beim Saugferkel
- Diagnostik der Anämie
- Ökonomische Auswirkungen
- Prävention und Behandlung der Eisenmangelanämie
Als essenzieller Bestandteil des sauerstoffbindenden und -transportierenden Moleküls ‚Hämoglobin‘, ist Eisen eines der wichtigsten Spurenelemente in der Aufzucht von Ferkeln. Gibt es nicht ausreichend Eisen, dann kann es passieren, dass die Schweine eine Blutarmut (Anämie) entwickeln. Saugferkel, vor allem aus der konventionellen Haltung, sind auf Grund der natürlicherweise vorkommenden Eisenmangelsituation besonders davon betroffen. Diese Blutarmut beeinflusst die allgemeine körperliche Kondition sowie das Immunsystem des Ferkels und dadurch auch das Tierwohl im Allgemeinen. Für den Landwirt bedeutet dies neben blassen und lebensschwachen Saugferkeln unter anderem reduzierte tägliche Zunahmen und Ausfälle auf Grund verschiedener Erkrankungen.
So entsteht eine Eisenmangelanämie beim Saugferkel
Eine Anämie entsteht entweder durch einen absoluten Mangel an roten Blutkörperchen (Erythrozyten) , zum Beispiel durch eine starke Blutung oder mangelnde Bildung von Erythrozyten, oder aber durch den Mangel eines wesentlichen Kofaktors wie zum Beispiel Eisen. Die Hauptursache einer Anämie beim Schwein ist der Eisenmangel (Eisenmangelanämie) . Eisen ist ein wichtiger Bestandteil des Eiweißes (Proteins) Hämoglobin , auch bekannt als Blutfarbstoff. Hämoglobin ist wiederum ein wesentlicher Bestandteil der Erythrozyten, bindet Sauerstoff und transportiert diesen von der Lunge in den restlichen Körper . Außerdem gibt es noch das Myoglobin. Das ist dem Hämoglobin wiederum sehr ähnlich, befindet sich jedoch im Muskel und hat hier die gleiche Funktion – den Sauerstofftransport. Ferkel sind eigentlich immer gefährdet an einer Eisenmangelanämie zu erkranken, erstens weil sie bei streuloser Haltung kein Eisen oral aufnehmen können und zweitens, wegen dem durch die moderne Genetik deutlich gestiegenen, sehr schnellen Muskelwachstum. Bei der Geburt wird jedes Säugetier mit einem gewissen Eisenspeicher geboren, der beim Ferkel – verglichen mit anderen Neugeborenen – extrem niedrig ist (durchschnittlich 30 – 50 mg).1 So wird ein Ferkel zum Beispiel mit nur etwa einem Drittel des Eisengehaltes geboren, den ein menschliches Baby nach der Geburt zur Verfügung hat.2
Schema Erythrozyt Hämoglobin
Das Saugferkel wird mit nur etwa einem Drittel so viel Eisen geboren wie ein menschliches Baby.
Bei der Neubildung von Erythrozyten benötigt ein Ferkel täglich etwa 7 mg Eisen .1 Gerade nach der Geburt ist dies von Bedeutung, da hier besonders viele Erythrozyten gebildet werden, zum Beispiel durch das Muskelwachstum und die damit einhergehende steigende Blutmenge. Damit reicht die Eisenreserve gerade einmal für die ersten Lebenstage. In einer Studie aus acht europäischen Ländern konnte gezeigt werden, dass knappe 15 % der untersuchten Ferkel anämisch waren.3
Eisenmangel im Schwein – Ein Fehler der Natur?
Die Eisenmangelanämie ist keine Erkrankung der modernen Schweinehaltung. Auch Frischlinge werden mit einem entsprechend geringen Eisenspeicher geboren. Natürlicherweise erhalten die Frischlinge beziehungsweise Ferkel das Eisen aus dem Boden. Ganz besonders eisenhaltig ist torfhaltiger Boden. Ein Gramm dieser Erde kann bis zu 35 mg Eisen enthalten.4 In der kommerziellen beziehungsweise modernen Schweinehaltung sind die Eisenquellen, wie vorhin bereits erwähnt, limitiert. Kolostrum und Sauenmilch sind nicht eisenhaltig genug, um den täglichen Bedarf von 7 und mehr mg für das Ferkel zu decken. Ein Liter Sauenmilch enthält etwa 1 – 1.25 mg Eisen. .5 Sauen können daher nur etwa 10 – 20 % des täglichen Bedarfs ihrer Ferkel decken. Nichtsdestotrotz muss natürlich immer auf eine ausgewogene und ausreichende Fütterung der reproduzierenden Sauen geachtet werden.
Gerade schwerere und schneller wachsende Ferkel haben ein größeres Risiko eine Eisenmangelanämie zu entwickeln, aus dem einfachen Grund, dass sie schneller mehr Eisen durch das enorme Muskelwachstum benötigen.
Diagnostik der Anämie bei Schwein
Die folgenden Symptome können ein Anzeichen dafür sein, dass ein Ferkel an einem Eisenmangel leidet:
- Kümmern bzw. Gedeihstörung
- reduzierte Tageszunahmen
- Blässe (vor allem der Schleimhäute)
Das Auftreten der Symptome ist abhängig vom Alter und der Rasse der Tiere, wobei man diese bei hellhäutigen Landrassen und Edelschweinen besonders gut beurteilen kann (vor allem die auffallende Blässe der Ferkel).
Da die Eisenmangelanämie auf Grund eines geschwächten Immunsystems mit einem gesteigerten Infektionsrisiko einhergeht, können Ferkel mit einem Eisenmangel vermehrt unter Durchfällen leiden.
Auch Atemwegserkrankungen können dann zum Problem werden. Infektionen reduzieren die Kapazität des Sauerstofftransports, sodass man häufiger Ferkel beobachtet, die schneller atmen als andere, um ihren Sauerstoffbedarf zu decken. Dieses Symptom nennt man Tachypnoe.
Bei einer bakteriellen Infektion verschärft sich der Eisenmangel noch mehr, da die Bakterien ebenfalls Eisen nutzen und somit eine Konkurrenzsituation zwischen den Bakterien und dem Wirt, unserem Ferkel, entsteht.
Schwer erkrankte Tiere versterben schneller. Bei einer Sektion kann man dann die folgenden Auffälligkeiten sehen:
- Lungen-, Muskel- und Gelenksödeme (Flüssigkeitsansammlungen in diesen Geweben)
- eine dünnere Herzwand
Ein Ödem tritt auf, wenn Flüssigkeit aus den Blutgefäßen austritt. Dieses Symptom tritt häufig bei einer Vielzahl von Herz-Kreislauf- und Bluterkrankungen auf und ist zunächst erstmal relativ unspezifisch. Bei der Infektion mit EDEC, einem speziellen Typ von Escherichia coli Bakterien, dem Auslöser der Ödemkrankheit, kommt es zum Beispiel typischerweise zu Ödemen. Hier muss der Tierarzt Diagnostik betreiben. Ein anämisches Ferkel, dass bis zum Absetzen überlebt (und keine Prophylaxe erhalten hat), kann zeitnah auf Grund eines vergrößerten Herzens versterben. Das Herz ist vergrößert, da es insgesamt mehr Blut pumpen musste als bei einem gesunden Ferkel, um den Sauerstoffmangel in den Geweben auszugleichen. So versucht der Körper das Defizit durch die zu geringe Sauerstoffbindung zu kompensieren.
Tiere mit einer Eisenmangelanämie stellen einen offensichtlichen ökonomischen Verlust für den Betrieb dar. Nicht ganz so offensichtlich, aber mindestens gleichwertig verlustreich sind sogenannte subklinisch anämisch Tiere , also diejenigen Ferkel, die, obwohl sie keine klinischen Symptome zeigen, grenzwertige Eisenlevel im Blut aufweisen. Subklinisch anämische Tiere sind auf Grund der fehlenden offensichtlichen Symptome schwerer zu detektieren. Trotzdem sind sie durch ihre mangelnde Leistung (zum Beispiel reduzierte Tageszunahmen) und der gesteigerten Anfälligkeit gegenüber Krankheiten ein großes ökonomisches Problem. Subklinisch anämische Schweine können häufig vorkommen, auch bei Herden, die ein sehr gutes Eisenmanagement haben und wo die Tiere routinemäßig behandelt werden.
Es gibt kleinste, portable Geräte, zum Beispiel der HemoCue® Hemoglobin 201 Analyzer, mit denen man schnell und einfach den Hämoglobingehalt im Blut messen kann.
Mit den Geräten zur Messung des Hämoglobingehaltes können Tierärzte, aber auch der Landwirt selbst, sowohl anämische als auch subklinisch anämische Tiere ausfindig machen und eine rechtzeitige Behandlung des Eisenmangels einleiten. Außerdem kann man mit diesen Tools den Erfolg seiner Präventionsmaßnahmen sehr gut kontrollieren. Tiere mit Hämoglobinwerten unter 11 g/dL werden als subklinisch anämisch definiert; Tiere mit einem Wert von unter 9 g/dL sind anämisch. Ferkel, die keine Supplementierung bis zum sechsten Lebenstag erhalten haben, können Hämoglobinwerte von unter 7 g/dL erreichen.6
Zur Messung des Hämoglobingehaltes im Stall sehr gut geeignet: portable Geräte wie das HemoCue®.
Detaillierte Informationen zum Eisengehalt im Blut Ihrer Schweine finden Sie in dem Beitrag: „Wie kann ich den Eisengehalt meiner Schweine im Blut messen?“
Ökonomische Auswirkungen
Die Prävention und Behandlung des Eisenmangels ist auch eine ökonomisch äußerst wichtige Entscheidung. Anämische Ferkel haben eine geringere tägliche Zunahme, ein erhöhtes Infektionsrisiko und dadurch auch ein höheres Mortalitätsrisiko. Diese Verluste sind jedem Landwirt nur zu offensichtlich.
Die ökonomische Auswirkung subklinisch anämischer Tiere ist nicht immer ganz so offensichtlich. Diese Tiere zeigen häufig allgemein schlechtere Leistungsparameter und haben auf Grund ihrer veränderten Erscheinung (lange Haare, faltige Haut und geringere Absetzgewichte) eher einen geringeren Wert.
Besonders schnellwüchsige Rassen und Ferkel haben ein erhöhtes Risiko einen Eisenmangel zu entwickeln. Um den schnelleren Wachstumsraten gerecht zu werden, haben moderne Haltungssysteme inzwischen sehr viel höhere Ansprüche an ihre Futtermittel als früher. Die ausreichende Eisenversorgung nicht gewährleisten zu können, untergräbt letztlich jahrelange Bemühungen und Errungenschaften der Zucht und Forschung, und natürlich auch die eigene harte Arbeit.
Die präventive, ausreichende Versorgung mit Eisenpräparaten sollte auf jeder Checkliste ganz oben stehen.
Prävention und Behandlung der Eisenmangelanämie
Um einen extremen Eisenmangel mit all seinen bereits beschriebenen Folgen und Verlusten zu vermeiden, sollten die Ferkel ihre Supplementierung innerhalb der ersten drei Lebenstage erhalten .7 Der sehr geringe Eisenspeicher, mit dem ein Ferkel geboren wird, ist sonst nach dieser Zeit nahezu aufgebraucht.
Solche Zahlen, wie sie oben beschrieben wurden, bereiten sicherlich jedem Schweinehalter schlaflose Nächste, besonders, wenn man bedenkt, dass ein großer Anteil der frisch geborenen Ferkel bereits mit einem latenten oder gar absoluten Eisenmangel geboren werden. Somit haben moderne Haltungssysteme keine andere Wahl, als irgendeine Form der Eisensupplementierung anzubieten.
Das Eisen kann prinzipiell auf zwei Wegen angeboten werden: oral oder per Injektion . Doch welche Methode ist die Bessere?
Bei den oralen Mitteln zur Supplementierung von Eisen handelt es sich meist um Futtermittelzusätze aus Pulvern und Pasten oder auch als Zusatz über das Tränkewasser . Diese sind in der Regel weniger effektiv zur Prävention von Eisenmangel, besonders in den ersten Lebenstagen, da die Ferkel hier noch nicht selbstständig fressen. Sofern Mittel zur oralen Applikation verwendet werden, muss darauf geachtet werden, dass man mehrere Dosen innerhalb der ersten zwei Lebenswochen anbietet. Eine einzelne Gabe ist hier häufig nicht ausreichend . Die orale Verabreichung hat einen weiteren großen Nachteil, vor allem wenn sie über das Futter oder Wasser verabreicht wird: die Dosierung ist nicht sehr präzise. Auch muss die Paste in das Maul der Ferkel gedrencht werden, was unangenehm für die Ferkel ist und auch anschließendes Würgen verursachen kann. Außerdem bekommen diejenigen Ferkel, die es am meisten bräuchten, in der Regel am wenigsten. Ein weiterer wichtiger Faktor ist der noch sehr unreife Darmtrakt während der ersten Lebenstage und die dadurch eher limitierte Fähigkeit, überhaupt ausreichend Eisen zu absorbieren.
Kofaktoren und Vergiftungen durch Eisen
Die Absorption und Verstoffwechselung (Metabolisierung) von Eisen ist abhängig von den Kofaktoren Vitamin E, Selen und Kupfer. Diese nehmen die Ferkel in der Regel in ausreichender Menge durch die Sauenmilch auf. In manchen Regionen Deutschlands sind die Böden, auf denen die Futtermittel angebaut werden, allerdings sehr arm an Selen, sodass dieses bereits im Sauenfutter supplementiert werden muss: ideal sind 60 - 100 mg Vitamin E und 0,2 - 0,4 mg Selen pro kg Trockenfutter. Eine Supplementierung der Ferkel über das Futter hat hier keine Bedeutung, da diese erst selbstständig anfangen zu fressen, wenn die prophylaktische Eisengabe bereits abgeschlossen sein sollte.
Starke Gewebeschädigung und –nekrosen (abgestorbenes Gewebe) können eine Folge der sehr reaktiven Eisenionen in zu hoher Dosierung sein. Neben einer vermehrten Einlagerung von Eisenkomplexen in der Leber, kann eine Vergiftung zu Blutungen im Magen-Darm-Trakt, Lungenödemen, starken Veränderungen im Knochenmark (unter anderem bräunliche Verfärbung) und letztlich zum Herz-Kreislauf-Versagen und Tod führen.
Der sicherste Weg Eisen zu supplementieren ist über eine Injektion.
Die Eisengabe per Injektion ist eine sichere Lösung.
Die sicherste Methode, um dem Ferkel eine ausreichende Dosis Eisen zur Verfügung zu stellen, ist die Injektion in einen Muskel. Durchgeführt nach besten medizinischen Standards, ist eine Injektion sicher, komfortabel und auch für das Ferkel verhältnismäßig stressfrei. Der sicherlich größte Vorteil einer Injektion ist die Sicherheit, dass jedes Ferkel die richtige und vollständige Dosis erhalten hat .
Von Seiten des Managements ist die Minimierung des Handlings der Ferkel auch immer wieder ein Zugewinn. Dabei kann eine einzige Dosis Eisen (z. B. in Form von Gleptoferron ) den Eisenmangel effektiv verhindern. Auch wird so die unangenehme Gabe ins Maul vermieden. Ein weiterer Zugewinn: als Kombinationspräparat zusammen mit Toltrazuril , das für das Schwein einzige zugelassene Medikament zur Behandlung einer Kokzidiose ausgelöst durch Cystoisospora suis , verhindert eine der Hauptursachen des Saugferkeldurchfalls. Mit dieser sehr komfortablen Lösung können Zeit und Stress beim Handling der Tiere und ökonomische Verluste durch anämische oder an Kokzidiose erkrankte Tiere eingespart werden. Das gesteigerte Wohlbefinden der Ferkel durch ein reduziertes Handling konnte ebenfalls in einer Studie nachgewiesen werden.8
Um eine (klinische) Eisenmangelanämie zu verhindern nutzt man in erster Linie Methoden der Prävention! Es ist möglich anämische oder subklinisch anämische Tiere zu verhindern, indem man – so einfach ist es wirklich – einfach und kostengünstig Eisen supplementiert.
1 Venn JAJ, McCane RA, Widdowson EM. Iron Metabolism in Piglet Anaemia. J Comp Pathol 57(1947): 314-325. DOI : 10.1016/S0368-1742(47)80037-2
2 Underwood EJ. Trace Elements in Human and Animal Nutrition. 4th Edition. 1977. Academic Press, (2):13-55. ISBN 9780127090658. DOI: 10.1016/B978-0-12-709065-8.50006-7.
3 Sperling D, Karembe H, Vanhara J, Jirasek T. Anémie selat z nedostatku zelesza - stále aktuálaní téma. Veterinarstvi 70(4) (2020): 263-266.
4 Meyer E. Brauchen Saugferkel mehr Eisen? Top agrar 2020 (4):S6-S9
5 Brady PS, Ku PK, Ullrey DE, Miller ER. Evaluatin of an amino acid iron chelate hematinic for the baby pig. J Anim Sci 47(5) (1978): 1135-1140. DOI: 10.2527/jas1978.4751135x
6 Jakobsen N, Pedersen MLM, Amdi C. Peroral iron supplementation can be provided to piglets through a milk cup system with results comparable to parental iron administration. Transl Anim Sci 5 (2021): 1-11. DOI: 10.1093/tas/txab004
7 Egeli AK, Farmstadt T. An evaluation of iron-dextran supplementation in piglets administered by injection on the first, third or fourth day after birth. Res. Vet. Sci. 66 (1999) 179–184.
8 Rodríguez M, Morales J, Díaz-Amor G, González-Bulnes A, Karembe H, Sperling D. 2022. Influence of the application of iron/anticoccidial products on the behaviour and associated stress factors of suckling piglets. Acta Vet Brno 91:000-000. DOI: 10.2754/avb202291030000.