- Jede Behandlung bedeutet Stress
- Reduzierte Zahl von Behandlung durch Kombinationspräparate
- Es heißt: Stress vermeiden!
- Mehr Tierwohl und höhere Absetzgewichte
- … und der Landwirt?
Die ersten Lebenswochen der Saugferkel sind äußerst ereignisreich. Neben dem geboren werden und sich mit seinen Wurfgeschwistern auseinandersetzen, müssen sie verschiedenste zootechnische Maßnahmen und Behandlungen über sich ergehen lassen. Dazu gehört eine prophylaktische Eiseninjektion und in vielen Fällen auch eine Behandlung gegen Kokzidien. Eine Studie untersuchte jetzt, ob und wie dieser Stress reduziert werden kann. Die Wissenschaftler* prüften, welche Auswirkungen eine Stressreduktion auf die Ferkel sowie einige Produktionsparameter, zum Beispiel die durchschnittliche Tageszunahmen, haben kann.
Jede Behandlung bedeutet Stress
Bereits in den 80er Jahren wurden die Auswirkungen von Behandlungen auf junge Schweine untersucht. Schon damals konnte gezeigt werden, dass Stress einen negativen Einfluss auf die Tiere hat. Schweine, die vermehrt unangenehmen Situationen ausgesetzt waren, hatten höhere Corticosteroid-Werte im Blut, ein Hormon, welches als typischer Biomarker für Stress herangezogen wird. Dabei wirkten sich die unangenehmen Situationen nicht nur unmittelbar auf den Moment der Behandlung aus, sondern sorgte auch für langfristige Effekte wie eine reduzierte Leistungsfähigkeit, gemessen an geringeren Zunahmen oder reduzierter Fruchtbarkeit.1-3 Anders gesagt, je weniger Behandlungen, umso stressfreier lebt das Ferkel.
María Rodríguez und ihre Kollegen* beschäftigten sich jetzt erneut mit der Thematik. Sie fokussierten sich darauf, wie sie die ersten Lebenstage der Saugferkel stressfreier gestalten könnten. Verschiedene Protokolle der prophylaktischen Eisengabe, kombiniert mit der Behandlung gegen Kokzidien (Cystoisospora suis), wurden hierfür untersucht.4
Reduzierte Zahl von Behandlung durch Kombinationspräparate
Die Behandlung der Kokzidiose beim Saugferkel und die prophylaktische Eisengabe zur Prävention einer Eisenmangelanämie, sind typische Maßnahmen, die innerhalb der ersten Lebenstage stattfinden. Bei der Kokzidienbehandlung werden die Ferkel häufig gedrencht – ein zeitaufwändiger und für das Tier eventuell unangenehmer Prozess.
Seit einiger Zeit gibt es die Möglichkeit, die Eiseninjektion mit der Kokzidienbehandlung zusammen in einer einzigen Injektion durchzuführen. Um die Effekte dieser Kombination auf das Wohlbefinden der Ferkel zu untersuchen, haben die Wissenschaftler drei Gruppen gebildet. Die erste Gruppe diente der Kontrolle, blieb vollständig unbehandelt und wurde auch keinen weiteren Stressoren ausgesetzt. Die zweite Gruppe erhielt die Eisenprophylaxe per Injektion (200 mg/mL beziehungsweise 1 mL Eisendextran pro Ferkel), getrennt von der tierindividuellen beziehungsweise gewichtsabhängigen Kokzidienbehandlung (20 mg/kg Körpergewicht Toltrazuril), welche oral, also ins Maul der Ferkel verabreicht wurde. Diese Gruppe hatte die größte Anzahl an Behandlungen. Die dritte Ferkelgruppe erhielt die Behandlung über eine einzige Injektion (1,5 mL pro Ferkel) in den Muskel. Hierbei wurde das Antikokzidium (45 mg Toltrazuril) sowie ein Eisenpräparat (200 mg Gleptoferron) als Kombinationsmittel verabreicht.
Drei Stunden vor bis drei Stunden nach der jeweiligen Behandlung wurden die Tiere über Videokameras beobachtet und deren Verhalten kategorisiert (zum Beispiel aktives Verhalten wie Saugen, Erkunden oder ruhiges Verhalten wie Sitzen oder Ruhen). Außerdem wurde die Gewichtsentwicklung über den Versuchszeitraum (dritter bis 21. Lebenstag) dokumentiert und daraus die durchschnittlichen täglichen Zunahmen berechnet.
Es heißt: Stress vermeiden!
Wie erwartet, war die Dauer der Behandlung bei der Gabe des Kombinationspräparates kürzer. Dennoch konnte keine statistische Signifikanz nachgewiesen werden, obwohl die separate Gabe der Wirkstoffe um nahezu 50 % länger dauerte als die Applikation des Kombinationspräparates. Sicherlich spielen hier auch die Erfahrung und Routine des jeweiligen Mitarbeiters eine große Rolle: je routinierter und strukturierter der Landwirt* oder ein Mitarbeiter* bei der Behandlung vorgeht, desto geringer wird der Unterschied.
In dem Beobachtungszeitraum von drei Stunden vor der Behandlung, zeigten alle drei Gruppen ein vergleichbares Verhalten. Den größten Teil der Zeit verbrachten die Ferkel mit etwa 70 % der Zeit in ‘neutralem Verhalten’. Gemeint ist damit das allgemeine Ruheverhalten (schlafen, sitzen, ruhen). Ungefähr 30 % der Zeit wurde ‘aktiv’ verbracht. Dabei waren die Ferkel, neben Erkunden und Laufen, hauptsächlich mit Saugen beschäftigt.
Nach der Behandlung hingegen, sahen die Wissenschaftler Unterschiede im Verhalten der Tiergruppen: diejenigen Ferkel, die das Kombinationspräparat gespritzt bekamen, verbrachten über den anschließenden dreistündigen Beobachtungszeitraum bis zu 20 % ihrer Zeit mehr mit Saugen, als sie das vor der Behandlung taten. Die Vergleichsgruppe mit der geteilten Behandlung reduzierte den Zeitraum des Saugens verglichen mit der vorherigen Aktivität. Generell nutzten beide Gruppen die Stunden nach der Behandlung weniger zum Ausruhen.
Sau und Ferkel: Gemeinsam und entspannt: Eine Sau mit ihren Ferkeln.
Mehr Tierwohl und höhere Absetzgewichte
Die Ferkel hatten zu Beginn des Versuchszeitraums, am dritten Lebenstag, vergleichbare Körpergewichte, wobei die Gruppe, die anschließend das Kombinationspräparat erhielt, im Durchschnitt etwas leichter war als die anderen. Die Ferkel mit dem Kombinationspräparat erzielten dann zum Absetzen etwas höhere Gewichte als die Kontrollgruppe und somit mehr als die Ferkel mit getrennter Behandlung. Dies zeigte sich auch schon vor dem Absetzen, da die durchschnittlichen Tageszunahmen in diesen beiden Gruppen bereits höher waren (keine Behandlung: 282.9 g/Tag; Kombinationspräparat: 295.9 g/Tag; getrennte Behandlung: 261.2 g/Tag). Der Unterschied zwischen den Behandlungsgruppen war mit etwa 13 % Differenz pro Tag signifikant.
Ein Erklärungsansatz, warum die Tiere mit der geteilten Behandlung weniger zunahmen, ist die geringere Zeit, die die Tiere mit Saugen, also der Nahrungsaufnahme, zugebracht haben. Zum einen, so überlegen die Wissenschaftler, haben die Pasten einen unangenehmen oder bitteren Eigengeschmack, sodass den Ferkeln regelrecht der Appetit vergeht. Vermehrtes Stehen, Unruhe und Maulsperren sowie Zunge strecken oder schütteln konnte nach dem Drenchen beobachtet werden. Auf tierindividueller Basis zeigt dies, wie unangenehm diese Behandlung für das Einzeltier sein kann. Außerdem könnten die Pasten eine Art Völlegefühl auslösen, weshalb die Ferkel zunächst nicht direkt ans Euter gehen, so wie ihre Vergleichsgruppe.
Das Hormon Cortisol wird häufig als Biomarker für Stress genutzt. Auch wenn die gemessenen Werte in dieser Studie nicht signifikant waren, so wird doch deutlich, dass die getrennte Behandlung mit einer größeren Streuung der gemessenen Hormonwerte für einige Individuen erhebliche Auswirkungen hatte. Ferkel, die das Kombinationspräparat erhalten hatten, zeigten Werte vergleichbar mit der Kontrollgruppe.
Umgekehrt haben einzelne oder einfache Prozeduren, die schnell vorüber sind, einen geringeren (langfristigen) Einfluss auf das Wohlbefinden des Einzeltieres. Die Tiere, die das Kombinationspräparat erhielten, gingen nach der Injektion schnell ans Gesäuge der Sau. Dadurch hatten sie folglich nicht nur mehr Zeit, die sie für die Nahrungsaufnahme genutzt haben. Bekanntermaßen wird beim Säugen auch das als Kuschelhormon bekannte Oxytocin ausgeschüttet, ein Hormon, das unter anderem für Glück und Wohlbefinden sorgt.
… und der Landwirt?
Cystoisospora suis , der parasitäre Einzeller und Auslöser der Kokzidiose, ist eine der häufigsten Ursachen für Durchfall bei Saugferkeln. Nachweislich positive Tiergruppen erhalten metaphylaktische Gaben von Toltrazuril. Mit dieser Behandlung kann eine Infektion zwar nicht verhindert werden, einem massiven Ausbruch des Ferkeldurchfalls aber entgegengewirkt werden.
Beim Eisenmangel handelt es sich um den häufigsten Mineralmangel der Saugferkel. Dabei sind vor allem Ferkel von hyperproliferativen Sauen gefährdet, da diese Ferkel häufig bereits anämisch, also mit einem massiven Mangel, geboren werden. Bereits in der ersten Lebenswoche erhalten die Saugferkel deswegen eine prophylaktische Eisengabe über eine intramuskuläre Injektion.
Die Kombination dieser beiden Behandlungen in einer einzigen Injektion reduziert Stress beim Saugferkel. Das hilft, den allgemeinen Stress der Tiere in den ersten Lebenstagen zu reduzieren und erhöht so die durchschnittlichen Tageszunahmen und folglich auch die Absetzgewichte.
Und der Landwirt? Durch die Kombination einzelner Maßnahmen müssen die Tiere weniger häufig gehandelt werden. Somit kann wertvolle Zeit gespart werden. Durch eine Injektion wird außerdem sichergestellt, dass jedes Tier die benötigte Dosis erhält - und das bei höchster Anwenderfreundlichkeit.
Die eingesparte Zeit könnte direkt in angenehme Aktivitäten investiert werden: zum Beispiel zur Oxytocinsteigerung der Sau (ausgiebiges Kraulen erhöht das Wohlbefinden).
* Die Begriffe dienen nur der Berufsbezeichnung und sollen Personen jeden Geschlechts einbeziehen.
1 Hemsworth PH, Barnett JL, Hansen C. 1986. The influence of handling by humans on the behaviour, reproduction and corticosteroids of male and female pigs. Appl Anim Behav Sci 15:303-314.
2 Barnett JL, Hemsworth PH, Hand AM. 1983. Effects of chronic stress on some blood parameters in the pig. Appl Anim Ethol 9:273-277.
3 Hemsworth PH, Barnett JL, Hansen C. 1981. The influence of handling by humans on the behaviour, growth and corticosteroids of juvenile female pigs. Hormones and Behavior 15:396-403.
4 Rodríguez M, Morales J, Díaz-Amor G, González-Bulnes A, Karembe H, Sperling D. 2022. Influence of the application of iron/anticoccidial products on the behaviour and associated stress factors of suckling piglets. Acta Vet Brno 91:000-000. DOI: 10.2754/avb202291030000.