- One Health betrachtet die menschliche Gesundheit, Tiergesundheit und Umwelt als Ganzes
- Der One Health-Ansatz basiert auf alten Erkenntnissen und moderner Wissenschaft
- Das One Health-Konzept wird in den 2000er Jahren relevant für viele gesundheitliche Teilbereiche
- Umsetzung des One Health-Ansatzes international und in Deutschland
Wenn wir in der Landwirtschaft über Tiergesundheit reden, dann sollte man das Thema One Health nicht mehr isoliert betrachten, wie man es in der Vergangenheit meistens getan hat. Vielmehr ist die Tiergesundheit ein Teil, der zum Wohl aller Lebewesen (Menschen und Tiere) und der Umwelt beiträgt. Bei dem Ansatz "One Health" - "Eine Gesundheit" - handelt es sich daher um einen kollaborativen, multisektoralen und interdisziplinären Ansatz, der auf lokaler, regionaler, nationaler und globaler Ebene arbeitet, um die Gesundheit und das Wohlbefinden zu verbessern, wobei die Zusammenhänge zwischen Menschen, Tieren, Pflanzen und ihrer gemeinsamen Umwelt berücksichtigt werden.1
One Health - Eine Gesundheit: Alle Aspekte des Zusammenlebens auf unserer Erde sollen hier berücksichtigt werden: Tiergesundheit, eine gesunde Umwelt und die Gesundheit der Menschen.
Dies basiert auf wissenschaftlichen Erkenntnissen, die in den letzten Jahren immer deutlicher aufgezeigt haben, dass wir alle in Abhängigkeit zueinander stehen. Ein bekanntes Beispiel dafür sind die sogenannten Zoonosen, also Krankheiten, die von Tieren auf Menschen und umgekehrt von Menschen auf Tiere übertragbar sind (Zooanthroponosen und Anthropozoonosen).
Die WHO (World Health Organization/Weltgesundheitsorganisation) beschreibt One Health als Ansatz, in dem verschiedene Sektoren zusammenarbeiten, um bessere Ergebnisse in Bezug auf die öffentliche Gesundheit zu erreichen. Bereiche, die hierbei insbesondere in Betracht kämen, wären Nahrungsmittelsicherheit, die Kontrolle von Zoonosen, sowie der Kampf gegen die Antibiotikaresistenzen.2
Die Geschichte des One Health Projektes: Altes Wissen neu entdeckt
Die Erkenntnis, dass sich Umweltfaktoren auf die menschliche Gesundheit auswirken können, lässt sich bis zu dem griechischen Arzt Hippokrates (ca. 400 v. Chr.) zurückverfolgen, der in seinem Text "Über die lüfte, die Gewässer und die Orte" die Auffassung vertrat, dass die öffentliche Gesundheit von einer sauberen Umwelt abhängt.3
Mitte des 19. Jahrhunderts verwendete der deutsche Arzt Rudolf Virchow erstmalig den Begriff 'Zoonose' für Erkrankungen, die ursächlich für die Übertragung von "ansteckenden Tiergiften" auf den Menschen sind. Er prägte diesen Begriff für Erkrankungen, die vom Tier auf den Menschen übertragen werden können und setzte sich aktiv für eine tiermedizinische Ausbildung ein.4
Die Gründung der Veterinary Public Health Division bei den Centers for Disease Control and Prevention (CDC) im Jahr 1947 durch James H. Steele, einen im öffentlichen Gesundheitswesen ausgebildeten Tierarzt, trug zum Verständnis der Ausbreitung von Krankheiten zwischen Tier und Mensch, der Epidemiologie von Zoonosen, bei.4
Der Amerikaner Calvin Schwabe, ein weiterer im öffentlichen Gesundheitswesen ausgebildeter Tierarzt, prägte 1964 in einem veterinärmedizinischen Lehrbuch den Begriff "One Medicine", der die Ähnlichkeiten zwischen Tier- und Humanmedizin widerspiegelt und die Bedeutung der Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen medizinischen Disziplinen bei der Lösung globaler Gesundheitsprobleme hervorhebt.4
Verstärkte Beachtung des One Health-Ansatzes seit den 2000er Jahren
2004 veranstaltete die Wildlife Conversation Society an der Rockefeller University in New York eine Konferenz mit dem Titel "One World, One Health" (Eine Welt, eine Gesundheit), aus der die zwölf "Manhattan-Prinzipien" hervorgingen.5,6 Diese Prinzipien betonen die Verbindungen für das Verständnis der Krankheitsdynamik und die Wichtigkeit interdisziplinärer Ansätze für Prävention, Bildung, Investition und Politikentwicklung.6
Auf Grund der weltweiten Sorge im Zusammenhang mit den H5N1-Ausbrüchen Anfang/Mitte der 2000er Jahre richtete die American Veterinary Medical Association 2006 eine One Health-Taskforce ein, die American Medical Association, welche 2007 eine One Health-Resolution zur Förderung der Zusammenarbeit zwischen veterinär- und humanmedizinischen Organisationen verabschiedete. So wurde 2007 ein One Health-Ansatz für Reaktionen auf globale Krankheitsausbrüche empfohlen.4,5
One Health-Konzept wird relevant für viele gesundheitliche Teilbereiche
Aufbauend auf dieser Initiative schlossen sich die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisationen der Vereinten Nationen (FAO), die Weltorganisation für Tiergesundheit (WHOA, vormals OIE) und die Weltgesundheitsorganisation (WHO) mit dem Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (UNICEF), der Influenza-Koordination der Vereinten Nationen (UNSIC) und der Weltbank zusammen, um 2008 ein Rahmenwerk mit dem Titel "Contributing to One World, One Health - A Strategic Framework for Reducing Risks of Infectious Diseases at the Animal-Human-Ecosystems Interface" (Beitrag zu One World, One Health - Ein strategischer Rahmen zur Verringerung der Risiken von Infektionskrankheiten an der Schnittstelle zwischen Tier, Mensch und Ökosystem) zu entwickeln, in dem die Empfehlungen für einen One Health-Ansatz für die globale Gesundheit bekräftigt werden.4,5 Dieses Rahmenwerk wurde erweitert und die genannten Organisationen gingen auf dem Stone Mountain Meeting (Georgia, Mai 2010) dazu über, umsetzbare Strategien zum Thema One Health zu entwickeln.4,5 Im Jahr 2016 haben die One Health Commission, die One Health Plattform und das One Health Initiative Team den 3. November zum internationalen One Health Day erklärt.
One Health-Prinzip wird auch in Deutschland aktiv umgesetzt
In Deutschland wurde One Health als handlungsleitendes Prinzip in der Globalen Gesundheitspolitik erstmals im Oktober 2018 im Staatssekretärsbeschluss zu Globaler Gesundheit erwähnt und seitdem in den jeweiligen Strategien fest verankert.7 Im Zuge der COVID-19 Pandemie wurden in Deutschland dann vom BMZ (Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) sowohl eine One Health Strategie als auch ein entsprechendes Referat eingerichtet.8
Antibiotikareduktion ist ein Kernbereich des One Health-Ansatzes
Antibiotika sind in der modernen Medizin ein sehr wichtiger Baustein der medizinischen Versorgung der Menschen - aber auch im Bereich der Tiergesundheit in einer erfolgreichen Landwirtschaft. Ohne wirkungsvolle Antibiotika sind viele ernsthafte und auch lebensbedrohliche Erkrankungen nicht erfolgreich zu behandeln - sowohl beim Menschen als auch bei Tieren.
Umso wichtiger sind die Erkenntnisse und das Wissen um Antibiotikaresistenzen, die sich bei den Erregern entwickeln können. Im One Health-Ansatz nimmt dieses Problem daher einen hohen Stellenwert ein, um die Verbreitung resistenter und weniger empfindlicher Bakterien in der Umwelt einzudämmen. Prävention und eine gezielte und sinnvolle Reduzierung des Antibiotikaeinsatzes sind daher entscheidend, damit wir auch in Zukunft auf leistungsfähige und lebensrettende Antibiotika zurückgreifen können.
Auf Zoonosen liegt ein besonderer Schwerpunkt des One Health-Ansatzes
Bei der ganzheitlichen Betrachtung der Gesundheit von Menschen und Tieren in einer gemeinsamen Umwelt sind die sogenannten Zoonosen ein Schlüsselelement. Doch was ist eigentlich unter Zoonosen genau zu verstehen?
Zoonotische Erreger kommen sowohl bei Menschen als auch beim Tier vor und sind von Tier zu Mensch und/oder von Mensch zu Tier übertragbar.
Hierbei unterscheidet man in "Zooanthroponosen", deren Erreger überwiegen aus dem Tierreich auf den Menschen übertragen werden und in "Anthropozoonosen", bei denen die Übertragung überwiegend vom Menschen auf Tiere stattfindet. Bei fakultativen Zoonosen ("Amphixenosen") erfolgt die Übertragung wechselseitig.
Zoonosen können sowohl von Viren als auch von Bakterien, Pilzen, Parasiten oder Prionen (fehlgefaltete Proteinstrukturen) verursacht werden. Im Folgenden finden Sie eine Übersicht der verschiedenen Erreger.
Die verschiedenen Formen der Zoonose beschreiben den Übertragungsweg: Zooanthroponose - die Infektion springt meist vom Tier auf den Menschen über; Anthropozoonose - die Infektion springt meist vom Menschen auf das Tier über; Amphixenose - die Infektion springt in beide Richtungen.
Welche Gruppen von Krankheitserregern sind zu unterscheiden?
Sowohl in der Humanmedizin als auch in der Tiermedizin sind verschiedene Gruppen von Krankheitserregern zu unterscheiden. Beim Ausbruch von Krankheiten passiert es häufiger, dass verschiedene Erreger auch aus unterschiedlichen Erregergruppen gleichzeitig auftreten und so ein bestimmtes Erkrankungsbild beziehungsweise das Eindringen eines anderen Erregers begünstigen können.
Auch in diesem Sinne spielt der One Health-Ansatz eine wichtige Rolle, um die Zusammenhänge von Umwelt- und Rahmenbedingungen, zum Beispiel in der Tierhaltung, zu erfassen und Wechselwirkungen durch verschiedene Erreger besser zu verstehen. Nicht nur in der Landwirtschaft sind die sogenannten Faktorenkrankheiten bekannt, bei denen verschiede Einflussgrößen die Schwere der Erkrankung beeinflussen und so das Auftreten von verschiedenen Erregertypen gleichzeitig möglich machen.
Viren sind organische Strukturen ohne eigenen Stoffwechsel
Ein Virus ist eine organische Struktur, die über keinen eigenen Stoffwechsel verfügt. Sie werden daher nicht zu den eigentlichen "Lebewesen" gezählt. Um sich vermehren zu können benötigt ein Virus eine geeignete Wirtzelle, dessen Replikationsapparat das Virus nutzen kann, um sich selbst zu vermehren und auszubreiten. Nachfolgend finden Sie einige Beispiele zoonotischer Viren in der Schweinehaltung:
Hepatitis E-Virus
Japanische Enzephalitis (JE-Virus)
Lyssavirus (Tollwut)
Nipahvirus
Bakterien sind zelluläre Lebewesen, die sowohl nützlich als auch infektiös sein können
Bakterien sind zelluläre Lebewesen, die zu den Prokaryoten zählen, das heißt, ihre Erbinformationen (DNA) sind nicht, wie bei uns, in einem Zellkern angesiedelt, sondern befinden sich im Innenraum der Zelle (Zytoplasma) in Form eines Nukleotids. Bakterien treten in einer Fülle von verschiedensten Formen und Größen auf. Ein Körper ist mit einer Vielzahl an verschiedenen Bakterien konfrontiert, die vor allem den Darm und die Haut besiedeln. Einige Bakterien lösen jedoch auch Krankheiten aus:
Brucella (Brucellose)
Campylobacter
Escherichia coli (EHEC)
Staphylococcus aureus
Salmonella
Erysipelothrix rhusiopathiae
Parasiten sind Organismen, die einen Wirt benötigen
Parasiten sind Organismen, die einen Wirt für die Nahrungsversorgung und gegebenenfalls längerfristig als Lebensraum nutzten. Im Gegensatz zu einem Symbionten zieht der Wirt aus dieser Besiedelung einen direkten Vorteil beziehungsweise kann dadurch sogar einen Schaden erleiden. Parasiten können sowohl eukaryotische Einzeller als auch mehrzellige Organismen sein, wie zum Beispiel die sogenannten Helminthen, die man allgemein als "Würmer" bezeichnet. Bei den Helminthen unterscheidet man zwischen Plattwürmern (Platheminthes), zu denen die Saugwürmer (Trematoden) und die Bandwürmer (Cestoden) zählen und den Fadenwürmern/Rundwürmern (Nematoden). Im Folgenden finden Sie Informationen zu einigen zoonotischen Parasiten:
Alaria alata
Ascaris suum
Sarcocystis suihominis
Toxoplamsa gondii (Toxoplasmose)
Taenia solium
Trichinella spiralis
Trichuris suis
Pilze sind neben Tieren und Pflanzen eine eigene Gruppe von Lebewesen
Pilze bilden neben den Tieren und Pflanzen die dritte große Gruppe der eukaryotischen Lebewesen. Eine Besiedlung beziehungsweise Infektion durch Pilze, eine sogenannte Mykose, kann zu verschiedenen Krankheitsbildern führen. Meist handelt es sich um Dermatophytosen, bei denen vorrangig Haut, Nägel und Haare betroffen sind. Beim Schwein spielen - abgesehen von futtermittelbedingten Erkrankungen mit Hefepilzen - die Mykosen nur eine untergeordnete Rolle. Viel bedeutender sind hier die im Futtermittel vorkommenden Pilze und durch sie produzierte Toxine (DON, ZEA).
Prionen sind Eiweißverbindungen mit Krankheitspotenzial
Prionen sind Proteine (Eiweiße), die im menschlichen oder tierischen Organismus sowohl in physiologischer, also unveränderter Form, als auch in einer gesundheitsschädigenden, der veränderten (pathologischen) Form vorliegen können. Dabei können pathologische Strukturveränderungen (Fehlfaltungen) auf andere Proteine "übertragen" werden. Die fehlerhafte Faltung des Proteins kann jedoch auch sporadisch auftreten oder durch einen genetischen Defekt verursacht werden. Das Schwein konnte bisher nur experimentell durch direkte Injektion der Prion-Protein ins Gehirn infiziert werden. Für den landwirtschaftlichen Betrieb spielt diese Erkrankung nur bei der Rinder- oder Schafhaltung sowie bei der Gehegewildhaltung eine Rolle:
Bovine spongiforme Enzephalopathie (BSE)
Scrapie
Chronic Wasting Disease
Der One Health-Ansatz ist in der täglichen Praxis in den Betrieben mit Leben zu füllen
In der Praxis ist der One Health-Ansatz als Leitlinie zu verstehen. Als unmittelbar Beteiligter in der Landwirtschaft sollte man den Blick eben nicht nur auf die eigenen Tiere richten, sondern allgemein die Tiergesundheit als untrennbaren Bestandteil der gesamten Gesundheit inklusive der Menschen sehen. In enger Zusammenarbeit mit dem Hoftierarzt und öffentlichen Institutionen bei One Health damit ein übergeordnetes Ziel, welches nur in der alltäglichen verantwortungsbewussten Arbeit in der Praxis auf den Höfen erreicht werden kann.
Unsere weiteren Beiträge zur Schweinegesundheit werden daher den wichtigen One Health Blickwinkel berücksichtigen, um auch das Wohlergehen der Mitarbeiter in der Landwirtschaft und der Menschen im direkten und weiteren Umfeld im Auge zu behalten.
1 What is One Health? - One Health Commission. Global Reach.
2 WHO: https://www.who.int/news-room/questions-and-answers/item/one-health
3 Jones WHS. Hippocrates Collected Works I. Cambridge. Harvard University Press. 1868.
4 Centers for Disease Control and Prevention (CDC). History of One Health: https://www.cdc.gov/onehealth/basics/history/index.html#:~:text=The%20One%20Health%20Office%20is,to%20maximize%20external%20funding%20opportunities.
5 Gibbs EPJ (2014). The evolution of One Health: a decade of progress and challenges for the future. Vet Rec. Jan25; 174(4):85-91. DOI: 10.1136/vr.g143
6 One World - One Health. Symposium 29.09.2004
7 Staatssekretärsausschuss für nachhaltige Entwicklung: Globale Gesundheitspolitik. (2018) https://www.bundesregierung.de/resource/blob/974430/1543134/d7bb1d76110ccce60002b582e9f2c08d/2018-10-29-beschluss-sts-ausschuss-globale-gesundheitspolitik-data.pdf?download=1
8 Inna Lazareva (2021). Angesichts multidimensionaler globaler Krisen setzt das BMZ auf One Health. https://health.bmz.de/de/reportagen/angesichts-multidimensionaler-globaler-krisen-setzt-das-bmz-auf-one-health/