Atemwegserkrankungen bei Schweinen: Welche Faktoren machen die Tiere krank?

3 Mai 2023

Article Atemwege
  • Atemwegserkrankungen bei Schweinen sind Faktorenkrankheiten
  • Nicht-infektiöse Faktoren bedeuten Stress und machen die Schweine anfällig
  • Infektiöse Faktoren für Atemwegserkrankungen
  • Tiere beobachten: Atemwegserkrankungen bei Schweinen schnell erkennen
  • Vorbeugen und Ansteckungsrisiken reduzieren

In vielen Schweinebeständen sind Erkrankungen der Atemwege eine der häufigsten Gesundheitsprobleme. Die Atemwegsinfektionen treten dabei in allen Haltungsformen gleichermaßen und auch in den verschiedensten Altersstufen der Schweine auf, wobei gerade die jüngeren Tiere häufiger betroffen sein können, solange ihr Immunsystem noch nicht voll ausgeprägt ist.

Wichtig ist es, die Erkrankungen frühzeitig zu erkennen und die Infektionsketten schnell zu unterbrechen. Sonst entwickelt sich aus einem oder nur wenigen erkrankten Tieren schnell ein schwerwiegendes Problem für den gesamten Bestand. In der Folge der Erkrankungen bringen schwach entwickelte Tiere geringere Erträge und damit schlagen am Ende nicht nur gesundheitliche, sondern auch wirtschaftliche Schäden für einen Betrieb zu Buche. 

Es ist daher für die Tiergesundheit und den wirtschaftlichen Erfolg eines Betriebs absolut sinnvoll, Atemwegserkrankungen bei Schweinen kontinuierlich vorzubeugen. Damit kommen wir zur entscheidenden Frage: Was sind die Faktoren, die die Atemwegsgesundheit beeinflussen und wie kann man im richtigen Moment einschreiten?

Atemwegserkrankungen bei Schweinen sind Faktorenkrankheiten

Wenn es bei Schweinen zu Atemwegserkrankungen kommt, hat dies in der Regel mehrere Ursachen, die sich in ihrer Wirkung ergänzen und potenzieren und so schließlich zum Ausbruch einer Erkrankung führen können. Man bezeichnet diese Krankheiten daher auch als „Faktorenkrankheit“, ganz einfach, weil hier mehrere Faktoren zusammenkommen.

Für die Praxis im landwirtschaftlichen Betrieb hat dieses Wissen direkte Auswirkungen: Kennt man die vielen Einflussfaktoren, die zur Verbesserung der Atemgesundheit von Bedeutung sind, kann man diese im Betrieb gezielt angehen und das Risiko für einen Krankheitsausbruch allgemein senken. Einerseits ist die Bekämpfung der Atemwegserkrankungen damit sehr komplex; andererseits bieten die vielen verschiedenen „Stellschrauben“ gute Ansatzpunkte, um Erkrankungen im Tierbestand vorzubeugen und die allgemeine Tiergesundheit zu verbessern. Doch welche Faktoren sind dies konkret? Zunächst können wir infektiöse und nicht-infektiöse Faktoren unterscheiden. Schauen wir uns daher diese Faktoren genauer an!

Nicht-infektiöse Faktoren bedeuten Stress und machen die Schweine anfällig

Beginnen wir mit den nicht-infektiösen Faktoren: Diese ergeben sich aus dem Umfeld und den Haltungsbedingungen der Schweine. Das Problem: Die nicht-infektiösen Faktoren können die Schweine unter Stress setzen. Stress, aber auch die Faktoren selbst, können wiederum auf Dauer das Immunsystem schwächen und die Tiere anfällig für Erkrankungen machen. Dann haben die infektiösen Faktoren in Form von zum Beispiel Viren oder Bakterien ein leichtes Spiel. Ein perfektes Beispiel ist die Zerstörung des sogenannten Flimmerepithels im Atemtrakt der Schweine durch Schadgase, wie z.B. Ammoniak und die darauffolgende Besiedlung mit krankmachenden Bakterien. 

Daher gilt es, nicht-infektiöse Faktoren zu (er)kennen und die Haltungsbedingungen entsprechend zu optimieren:

Stallklima

Eine entscheidende Rolle spielt das Stallklima mit einem korrekt arbeitenden Lüftungssystem. Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Luftgeschwindigkeit und Luftaustausch sowie die Konzentration und Abfuhr von Schadgasen und Staub sollten immer optimal gesteuert werden.

Fütterung

Um Stress zu vermeiden, ist eine stets optimale Bereitstellung von Futterplätzen und Tränken anzustreben. Die Anzahl und Erreichbarkeit der Futterplätze sollten gut auf die Zahl der Tiere in einem Bereich abgestimmt sein. Lange Wartephasen vorm Futtertrog, während andere Tiere bereits Futter zu sich nehmen, führt zu Stress und dadurch auch oft zu Magenulzera.

Mangelhaftes Futter, nicht ausreichende Fütterung oder auch zu schnelle Futterumstellung sollten vermieden werden.

Haltungsmanagement

Verschiedenen Managementfaktoren wie eine zu hohe Belegungsdichte, mangelhafte Durchführung des Rein-Raus-Verfahrens, häufige Gruppenwechsel und weitere Auslöser für Rangordnungskämpfe sowie zu kurze Quarantänezeiten und Transportstress sind belastend für die Tiere. Die häufige Durchmischung verschiedener Gruppen oder Herkünfte sorgt außerdem für einen regen Austausch potenziell krankmachender Erreger und sollte deshalb vermieden werden. Um dem Keimdruck gerecht zu werden, sind Impfungen in der modernen Schweinehaltung zur Normalität geworden.

Stallhygiene

Die Stallbereiche sind regelmäßig und korrekt zu reinigen und desinfizieren (R&D). Die richtige R&D-Maßnahme wirkt sich direkt auf die infektiösen Faktoren aus, also das Überleben von Viren, Bakterien, Pilzen und Parasiten. Die optimale Stallhygiene kann diese im Idealfall stark reduzieren und den Infektionsdruck senken. Beachten Sie dabei auch die richtige Auswahl und Anwendung der entsprechenden Reinigungs- und Desinfektionsmittel. Weiterhin sollten Sie auf den sogenannten “Eiweißfehler” bei unzureichender Reinigung beziehungsweise den “Kältefehler” achten - wenn das Desinfektionsmittel bei zu niedrigen Temperaturen eingesetzt wurde.  

Die nicht-infektiösen Faktoren als Auslöser für Atemwegserkrankungen sollte man in jedem Betrieb ganz praktisch und gezielt angehen. Sie sind häufig schnell erkennbar und Schritt für Schritt zu beseitigen. Stressfaktoren können so immer weiter reduziert und das Risiko für einen Krankheitsausbruch minimiert werden.

Hinzu kommen individuelle Faktoren: Rasse, Alter, Leistung und die individuelle Immunität können die Anfälligkeit für Infektionen bei einzelnen Tieren beeinflussen.

Infektiöse Faktoren für Atemwegserkrankungen

Atemwegserkrankungen bei Schweinen können in der Regel nicht nur durch einen einzelnen infektiösen Erreger ausgelöst werden. Fast immer sind es mehrere Erreger gleichzeitig, die zusammen bei einem geschwächten Tier eine Erkrankung auslösen. Diese komplexe Art der Atemwegserkrankung wird allgemein als „Porcine Respiratory Disease Complex“ (PRDC) bezeichnet. Die wesentlichen Auslöser einer Lungenentzündung (Pneumonie) sind dabei vor allem verschiedene Viren und Bakterien:

Viren

Zu den viralen Erregern bzw. durch sie ausgelöste Erkrankungen gehören zum Beispiel die Influenza durch das Influenzavirus A, das Porzine Reproduktive und Respiratorische Syndrom durch das PRRS-Virus oder Circoviren vom Typ PCV2, die typischerweise bei einer PRDC-Erkrankung beteiligt sind.

Gerade virale Erkrankungen erleichtern das Eindringen bakterieller Erreger durch die Vorschädigung der Lunge. So wird die lokale Abwehr reduziert und weitere Pathogene können leichter eindringen.

Bakterien

Zu den bakteriellen Erregern beziehungsweise durch sie ausgelöste Erkrankungen gehören zum Beispiel die Enzootische Pneumonie verursacht durch Mesomycoplasma hyopneumoniae (und in weiterer Folge Pasteurella multocida), aber auch Actinobacillus pleuropneumoniae (APP) als Verursacher von Lungen-Brustfell-Entzündungen. wie auch die fieberhafte Glässer’sche Krankheit durch das Bakterium Glaesserella parasius, letzterer Erreger jedoch mehr in der Aufzucht. Sowohl Mhyo als auch APP können ohne virale Vorboten eine Atemwegserkrankung beim Schwein auslösen.

Pilze und Parasiten

Pilzinfektionen in der Lunge kommen bei Schweinen äußerst selten vor und sind im Alltag eigentlich nicht von Bedeutung. Potenziell toxische Metabolite spielen im Rahmen einer Schimmelpilzbelastung in der Haltung eine wesentlich größere Rolle als eine Infektion der Atemwege.

Parasiten mit einer ausgeprägten Körperwanderung sind Wegbereiter für Sekundärinfektionen und Zerstören das Lungengewebe zum Teil massiv. Der wichtigste Vertreter ist Ascaris suum, der Schweinespulwurm. Eine regelmäßige Entwurmung, vor allem aber die richtige Reinigung und Desinfektion sind hier von besonderer Bedeutung für die Lungengesundheit der Tiere.

 

Faktorenerkrankungen Übersicht

Atemwegserkrankungen sind Faktorenkrankheiten bei denen belebte und unbelebte Faktoren auf das Schwein einwirken.

 

Tiere beobachten: Atemwegserkrankungen bei Schweinen schnell erkennen

Zunächst sollten Sie die verschiedenen infektiösen und nicht-infektiösen Faktoren kennen. Dabei ist es wichtig, die Tiere regelmäßig zu beobachten und die Anzeichen von Atemwegserkrankungen im eigenen Bestand schnell zu identifizieren. Werden die folgenden Anzeichen beobachtet, ist es sinnvoll, den Hoftierarzt* zu informieren:

  • Abgeschlagenheit der Tiere sowie teilnahmsloses oder reduziertes Allgemeinverhalten
  • Fieber
  • Husten
  • schwere Atmung bis hin zu Atemnot, gekennzeichnet durch Maulatmung und hundesitzige Stellung
  • Appetitlosigkeit und Fressunlust
  • Nasenausfluss und Bindehautentzündung
  • Auffällige Schlachtlungenbefunde, siehe “Lungenentzündung bzw. Brustfellentzündung (Schlachtprotokoll)
  • Eventuell erhöhte Umrauschquoten und Aborte bei Sauen, als Folge von Fieber oder Entzündungsmediatoren durch die Atemwegserkrankungen (typisch bei Influenza und PRRSV)

Vorbeugen und Ansteckungsrisiken reduzieren

Erkrankungen werden sich nicht immer und vollständig verhindern lassen, doch es kommt darauf an, im eigenen Betrieb den Infektionsdruck und das Ansteckungsrisiko zu senken. Gerade über die nicht-infektiösen Faktoren bietet sich in fast jedem Betrieb noch Potenzial, um die Vorbeugung schnell und effizient zu verbessern. Diese Chance sollte man unbedingt nutzen!

Einen guten Ansatz für die praktische Durchführung bietet dazu auch der von dem französischen Virologen Dr. Madec entwickelte 20-Punkte-Plan mit allgemeinen Hygienemaßnahmen und vorbeugenden Maßnahmen für Abferkelstall, Flatdeck und Maststall.

 Unser Tipp: Aktives Vorbeugen gegen die Atemwegsinfektionen durch die passenden Impfungen in der Schweinehaltung lohnt sich auf jeden Fall: Die wirtschaftlichen Verluste bei PRDC durch Tierverluste, reduzierte Tageszunahmen, schlechte Futterverwertung und längere Mastdauer können sich schnell summieren und den wirtschaftlichen Erfolg eines Betriebs ernsthaft beeinträchtigen.

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* Diese Formulierung dient nur dem Lesefluss, es sind natürlich alle Personen jeden Geschlechts einbezogen.

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